Suche Gedichte aus Gedichtkreis an Madeleine Broglie

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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Nils

Suche Gedichte aus Gedichtkreis an Madeleine Broglie

Beitrag von Nils »

Hallo,

gerade erst habe ich diese neue Rubrik entdeckt und stelle meine Frage hier gleich noch einmal:

Ich suche die Gedichte des Gedichtkreises für Madeleine Broglie , zu denen auch R.M. Rilkes Gedicht "Fortgehn" gehört.

Danke und viele Grüße von Nils :lol:
Barbara
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Widmung

Beitrag von Barbara »

Hallo,

hier das erste Gedicht des Gedichtkreises an Madeleine Broglie. Insgesamt sind es sechs Texte: Widmung, ... Und sagen sie das Leben sei ein Traum: das nicht , Fortgehn, Ich hab mich nicht den Dichtern zugesellt, Der Engel und Die Münze.

R. M. Rilke: Widmung

Vergangen nicht, verwandelt ist was war.
(O wie unsäglich selig kehrt es wieder.)
Einst war es Fest und Andacht und Gefahr,
dann ging es langsam wie ein Abend nieder
und ist jetzt Angesicht und Hand und Haar:
O wie unsäglich selig kehrt es wieder.

Du weiße Stadt vor Robbias frommem Blau
in deinen Hügeln wie in Früchtekränzen,
mit deinen Höfen, welche wie in Tänzen
stehn bleiben um der Brunnen runden Bau:
wie kannst du stürzen ins Gefühl und glänzen
und eines Abends, außer deiner Gränzen,
dich auferbaun zuliebe einer Frau:

deren Profil, als ob es dich verdeckte,
sich nur ein wenig wenden muß, damit -
strahlende Stadt im Tal von Malachit -
dein Bild erscheint, das klare unbefleckte;

wie deine Glocken gehen geht ihr Schritt.

Und so wie Wolken manchmal fern der Erde
nachahmen die Konturen ihrer Länder:
so fließt durch ihre Haltung und Gebärde
das Unsagbare deiner Hügelränder.

(zuerst veröffentlicht: Paris, Juni 1906)

.... Fortsetzung folgt :wink: ...

Viele Grüße von Barbara
Gast

Fortgehn

Beitrag von Gast »

Hallo,

hier der dritte Text "Fortgehn" der Gedichtreihe als Link:

http://www.rilke.de/phpboard/viewtopic. ... ight=#2250

Viele Grüße von Barbara

ps.: werde die Reihe nach und nach ergänzen :wink:
Barbara
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Der Engel

Beitrag von Barbara »

Hallo,

hier das fünfte Gedicht dieser Gedichtreihe an M. Broglie:

R.M. Rilke: Der Engel

Wie ist der hülflos, der mit nichts als Worten
aussagen soll wie er dich fühlt und sieht;
dieweil dein Leben festlich sich vollzieht
wie aufgehoben, wie in Sopraporten
in welchen neben dir ein Engel kniet.

Ein Engel - : ein im Himmlischen Zerstreuter,
der um dich ist seitdem du hier erschienst;
kaum jemals trauriger, kaum je erfreuter,
doch immer strahlender in deinem Dienst:

so hingegeben wie an große Räume
an dich, du weite, unbekannte Welt,
und wie ein Kind in seine ersten Träume
so atemlos in dich hineingestellt.

Beschäftigt, dir dein Leben hinzureichen,
die Stunde, die du grade ihm bestimmst,
und schwindelnd von der Größe ohne gleichen
mit der du sie aus seinen Händen nimmst:

verbraucht er seine vielen Ewigkeiten
in deiner Zeit wie einen kurzen Tag.
Er wird nie wieder heimgekehrt zu seiten
der andern Engel im Aeropag

des Himmels stehn; auch nicht im Weltgerichte.
Sein Platz wird leer sein auf der Engelsbank.
Doch man wird sagen von dem Angesichte
an dem ein Engel lebte und ertrank.

Aus: Die Gedichte 1906-1910 (zuerst veröffentlicht: Paris, Juni 1906)

Viele Grüße von Barbara
Barbara
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Die Münze

Beitrag von Barbara »

Hallo,

... und hier das sechste Gedicht dieser Reihe :

R.M. Rilke: Die Münze

Daß eine Münze, Fürstin, dein Profil
in Gold geschnitten einem weiterreichte.
Du weißt: weit weiterreichte ohne Ziel
an einen Großen, der des Bildes Beichte
zu hören wüßte wie ein Orgelspiel.

Der, wenn von hoch her deine Herrlichkeit
wie von Gebirgen in ihn niederschösse,
anwüchse und sich wie im Zorn ergösse
über die Jugend einer andern Zeit:

Jünglinge aus dem Heimatboden reißend
und (weiterrauschend in geschwelltem Schwung)
kein Haus und keinen Schutz mehr heilig heißend
und keine eingesäumte Siedelung;

wie fremde Völkerstämme lauter Ferne
mitbringend in Gefühl und Überfall,
und alle Unterworfenen wie Sterne
auswerfend in das grenzenlose All -
__

Daß einmal einer so ein Lied erschüfe
wenn Kommende des Zurufs und Gerichts
bedürftig sind:
müßte die Hieroglyphe
deines an uns vergeudeten Gesichts

in einer goldnen Münze weiterdauern
und einst gefunden werden, unversehrt,
wo mans nicht denkt, bei Hirten oder Bauern,
doch: aus dem Dunkel nieerklärter Mauern
dem Finder wie seit immer zugekehrt.

Aus: Die Gedichte 1906-1910 (zuerst veröffentlicht: Paris, Juni 1906)

ps.: das Schriftbild erscheint hier leider etwas anders als im Druck. Das wird in der Rubrik "Gedichte" dann hoffentlich wieder funktionieren .

Viele Grüße von Barbara :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

...diese Gedichte stehen jetzt auch in der Rubrik "Gedichte" unter "Die Gedichte 1906-1910" :) !

Liebe Grüße von Barbara :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

An die Frau Prinzessin M. von B.

Wir sind ja. Doch kaum anders als den Lämmern
gehn uns die Tage hin mit Flucht und Schein;
auch uns verlangt, sooft die Wiesen dämmern,
zurückzugehn. Doch treibt uns keiner ein.

Wir bleiben draußen Tag und Nacht und Tag.
Die Sonne tut uns wohl, uns schreckt der Regen;
wir dürfen aufstehn und uns niederlegen
und etwas mutig sein und etwas zag.

Nur manchmal, während wir so schmerzhaft reifen,
daß wir an diesem beinah sterben, dann:
formt sich aus allem, was wir nicht begreifen,
ein Angesicht und sieht uns strahlend an.

R. M. Rilke

Dieses Gedicht fehlte hier noch. Und da ich es für den Literaturkreis sowieso abschreiben musste, sei es auch an dieser Stelle noch nachgereicht !

Barbara :lol:
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