Rilkes 'Neue Gedichte' im Zusammenhang mit Nietzsche

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Flugente
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Rilkes 'Neue Gedichte' im Zusammenhang mit Nietzsche

Beitrag von Flugente »

Und ich schon wieder... :D

Ich lese gerade im Rilke-Handbuch den Artikel über die Antike, die während der Entstehung der Neuen Gedichte eine entscheidende Rolle spielt. Über die Neuen Gedichte: dieses mittlere Werk stehe "erkennbar im Zeichen des Nietzscheschen Apollo, so daß das >Anschauen< von Sichtbarem (Landschaften, Fresken, Statuen) den Ausgangspunkt der poetischen >Verwandlung< der Neuen Gedichte bilden kann".
Danach wird noch einiges zu Nietzsche erklärt - und wenn ich ehrlich bin verstehe ich NULL!!! Ich habe mich nie mit Nietzsche beschäftigt und Philosophie ist nun gar nicht verständlich für mich wenn ich ehrlich bin.

Kann mir das jemand in einfachem Deutsch erklären was man mir hier sagen will? Was hat Nietzsches Frage des Lebens und seine Auffassung von zeitgemäßer Kunst mit Rilkes Neuen Gedichten zu tun? Ich glaube mit der Kunst (von der ich genauso wenig wie von der Philosophie verstehe) muss ich mich wohl noch stärker befassen um die Neuen Gedichte und den Malte wirklich verstehen zu können, was?

Rilke gefällt mir immer besser, aber ich habe wohl noch ein rieeeeeeeeeesiges Defizit, das ich ausgleichen muss, um ihn verstehen zu können...

Stöhnende Grüße vom Flugentchen, das da wohl dringend Eure Hilfe braucht :(
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Liebe Flugente,
zum Einstieg empfehle ich dir den Aufsatz von Nietzsche "Apolinisch und dyonisisch", der ist ganz grundlegend, kurz und gut verständlich. Er ist in vielen Oberstufelesebüchern abgedruckt. Wenn du den gelesen hast, bist du schon mal ein Stück weiter, was Kunstauffassung betrifft. In literarischer Form hat das Thomas Mann im "Tod in Venedig" behandelt, den du vielleicht kennst. Über den näheren Zusammenhang von Nietzsche und Rilke weiß ich leider auch nichts, da können dir bestimmt andere Forumsteilnehmer weiterhelfen.
Gruß
gliwi
Flugente
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Beitrag von Flugente »

Danke, den werde ich mir dann direkt mal besorgen. Muss morgen eh zur Bibliothek. :) Ich freue mich aber noch auf weitere Tipps was Rilkes Neue Gedichte mit Nietzsche zu tun haben. Bin trotz der Lektüre diverser Seiten gestern nicht wirklich weitergekommen. Danke!

Flugentchen
helle

Beitrag von helle »

So wichtig ist das mit Nietzsche auch nicht, nicht für Rilke; da gab's andere, die stärker von Nietzsche hergekommen sind, wie Heinrich Mann oder Gottfried Benn. Die einzige Nietzsche-Schrift, die hier in Frage kommt, ist die Frühschrift "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik", da geht's um den Gegensatz von Apoll und Dionysos. Und Apoll, der bildnerische, plastische, formbestimmte Gott, den Rilke gelegentlich bedichtet, steht im Gegensatz zum Gott der Trunkenheit, Sinnenlust, Ekstase usw.: Dionysos.

Im Handbuch steht: "Plastische Kunst ist es dann auch, die R.s Hinwendung zur Antike im Jahr 1902 markiert." Das ist ja nicht so schwer zu verstehen und biographisch bestimmt. Nietzsches Programm war: "Dionysos gegen den Gekreuzigten" – um das in etwa zu verstehen, empfehle ich sein echt amüsantes "Wie die wahre Welt endlich zur Fabel wurde", ist nur eine Seite lang, steht bestimmt im Netz.

Nietzsches radikales Anti-Christentum hat Rilke wenig interessiert, allerdings den Blick auf das Diesseitige und Anschauliche zu richten, und nicht auf ein unerkennbares Jenseits, das passiert in den "Neuen Gedichten" schon ("Rühmung des Hiesigen"). Daß sich das nun der Nietzsche-Lektüre verdankt, kann man bezweifeln, daß es nichts mit N. zu tun, allerdings auch. Was R. wirklich übernommen hat, ich fürchte, den Kalauer habe ich schon mal gemacht, ist die gute Frau Andreas-Salomé.

H.
Anette

Beitrag von Anette »

Hallo,

vielleicht sollte man dazu auch Rilkes "Marginalien zu Friedrich Nietzsche" von 1900 lesen - besonders zum Thema Dionysos und Apoll ?! Dieses nur als kleiner Tipp !

Liebe Grüße von Anette :lol:
Flugente
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Beitrag von Flugente »

Hallo zusammen!

So langsam glaube ich auch, dass Nietzsche vielleicht nicht soooo die große Rolle spielt. Ich habe heute noch einiges gelesen und denke, dass es wichtig ist, solche Dinge einfach im Hinterkopf zu haben um Rilkes Ansichten besser zu verstehen, nicht aber um die Gedichte zu interpretieren.

Probleme habe ich immer noch mit dem Begriff des "Seienden". Irgendwie ist mir dieser Begriff wohl zu abstrakt. Soll ich darunter das Jetzt verstehen, also das, was jetzt gerade im Moment ist? in Wikipedia.de habe ich folgende Definition gefunden:

"Der zentrale Begriff der Ontologie ist der des Seins. „Sein (Esse) heißt jene Vollkommenheit, durch die etwas ein Seiendes (Ens) ist" (Lotz in: Brugger 345). Was bedeutet das genau? Vollkommenheit bedeutet, wie das Wort bereits sagt, zum-Vollen-kommen. Man unterscheidet die absolute Vollkommenheit von verschiedenen relativen Vollkommenheiten. Hat etwas sein Ziel erreicht oder anders gesagt seine Anlagen voll entfaltet, spricht man von Vollkommenheit oder auch von Voll-endung. Auf das Sein bezogen heißt das, dass jedes Seiende in der Hinsicht vollkommen ist, als es eben – ganz – ist. Das Sein ist deshalb die erste Vollkommenheit, die „allem" zukommt und den Grund für alle weiteren Vollkommenheiten legt; der Begriff des Seins ist entsprechend der erste Begriff, auf dem alle anderen aufbauen. (...)"

Diese Definition ist ja soweit gut - aber entweder hab ich heute einfach zu lang am PC und über Büchern gesessen, oder ich versteh's wirklich nicht. Ich kann damit einfach nichts anfangen, vor allem nicht in Bezug auf die Neuen Gedichte. Was soll das sein, das Sein?! Woran erkenne ich das in Rilkes Gedichten?

Ich stehe völlig auf dem Schlauch. :(

Flugentchen, heute leicht frustriert weil's langsam denkt, dass diese Studium für'n A..... war weil darin noch nie die Rede von diesen ganzen Dingen war
e.u.
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Beitrag von e.u. »

hallo,
vielleicht versuchst du's mal mit weniger Sekundärliteratur, die die Hinrschwurbel verursacht. Wichtig ist doch die Textkenntnis selbst und der Versuch, zu beschreiben, was dasteht. Dazu reicht manchmal bei Rilke ein einfacher Kommentar. Wie wäre es mit dem in der Kommentierten Ausgabe, dazu vielleicht noch die Einführung, die dem Kapitel voran steht. Ein gutes Werk ist auch das von Brigitte L.Bradley, das es in vielen UBs gibt. Gut abgehangen zwar, aber solide.
Ich fürchte, Sekundärliteratur der abgehobenen Art hast Du schon genug wegzustecken, wie wäre es mit einfachen Analysen, die man in einer (mündlichen?) Prüfung auch reproduzieren kann. Da hilft eigentlich am besten ein Gesprächspartner, der mit etwas Interesse und Verstand zuhört, was man über die einzelnen Gedichte zu sagen hat. Das wäre schon ein gutes Training.
Übrigens, die RWTH hat eigentlich keine so schlechten Ruf, man spricht ja schon von 'Excellence' -Qualität, auch in der Germanistik?
Auf jeden Fall: Bangemachen gilt nicht und Pferde scheu machen auch nicht.
So schwer ist der 'mittlere Rilke' auch nicht zu verstehen, sonst wären die Texte nicht so beliebt.
Viel Erfolg!
e.u.
Flugente
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Beitrag von Flugente »

Danke danke, vielleicht hast Du Recht und ich mache mich zu sehr verrückt. Ist halt so, dass ich im Studium ganz andere Dinge gemacht habe und nun wirklich wie ein Anfänger vorm Prüfungsthema stehe. Als Orientierung habe ich nur bekommen: "im Nebenfach für die Klausur ein Autor, seine Epoche, sein Werk und die ausgewählten Gattungen mit Besonderheiten kennen, mind. 10-12 Gedichte kennen (!!!) und dazu einen Roman. Dann noch die Einordnung in sein Werk, die Entstehung, die Besonderheiten, vor allem zu früheren Arbeiten."

Wenn ich ehrlich bin: Für mein Hauptfach habe ich deutlich detailliertere Angaben bekommen und konnte mich viel präziser vorbereiten. Und vor allem war's WENIGER als für das Nebenfach!!!

Ich lese mir nun erst mal das Handbuch noch ein bisschen durch, speziell was ich zu den Neuen Gedichten und zum Malte finden kann. Einfach um Hintergrundwissen zu bekommen. Dann nehme ich mir die ausgesuchten Gedichte vor und werde schön der Reihe nach die Interpretationen machen - und Euch vielleicht mit den Ergebnissen nerven ;). Danach kommt der Malte - und schließlich die Epoche. Hoffe, das ist so i.O. und reicht für die schriftliche Prüfung. Das Buch von Brigitte L. Bradley habe ich wohl auch ausgeliehen, allerdings noch nicht reingeschaut weil ich das Rilke-Handbuch für den Anfang am sinnvollsten finde. Kommt alles wenn ich nen Überblick bekommen habe. Ihr helft mir hier jedenfalls super, auch bei der Orientierung!

Für die mündliche Prüfung brauche ich übrigens noch zwei Autoren (gewählt habe ich Heinrich Heine und Heinrich Böll), von denen genau den gleichen Umfang wie für die schriftliche 4stündige Prüfung. Das mal am Rande erwähnt...

Was die RWTH angeht: Sie hat vor allem im technischen Bereich einen sehr guten Ruf, die Geisteswissenschaften sind nur noch ganz klein vertreten. Mag sein, dass wir gute Leute dort haben, aber wie der Ruf allgemein ist, ist mir nicht bekannt. Ich persönlich würde Germanistik jedoch nie wieder studieren, da es für mich an vielem vorbei ging, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Egal, den Rilke mag ich immer lieber, aber das habe ich mir selbst erarbeitet und selbst ausgesucht. :D

Viele Grüße vom Flugentchen
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