Interpretation gesucht zum "Buch der Bilder"

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Vangelis2211
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Interpretation gesucht zum "Buch der Bilder"

Beitrag von Vangelis2211 »

Ich haette sehr gerne eine Interpretation zum Gedicht "Von den Maedchen"
Vielen Dank
Vangelis2211
Beiträge: 3
Registriert: 12. Jul 2008, 16:36

Re: Interpretation gesucht zum "Buch der Bilder"

Beitrag von Vangelis2211 »

ich habe dieses gedicht *gewidmet* bekommen und interpretiere es , als eine art *abschiedsgedicht*,
die widmende person, sieht sich in der lage des dichters,
bedauert die situation ( sein zaertliches Gedenken ... )
kann aber nicht umhin ( Lasst ihn einsam sein ... )
und die Worte "Aus ihrem Leben geht jede Tuere in einen Dichter und in die Welt"
lege ich als Versuch, getrennte Wege zu gehen , aus.

Ziemlich einfach von mir gedacht , aber vielleicht kann mir jemand helfen, es richtig zu interpretieren.
Danke
Zuletzt geändert von Vangelis2211 am 13. Jul 2008, 17:00, insgesamt 1-mal geändert.
stilz
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Re: Interpretation gesucht zum "Buch der Bilder"

Beitrag von stilz »

  • Von den Mädchen

    I

    Andere müssen auf langen Wegen
    zu den dunklen Dichtern gehn;
    fragen immer irgendwen,
    ob er nicht einen hat singen sehn
    oder Hände auf Saiten legen.
    Nur die Mädchen fragen nicht,
    welche Brücke zu Bildern führe;
    lächeln nur, lichter als Perlenschnüre,
    die man an Schalen von Silber hält.

    Aus ihrem Leben geht jede Türe
    in einen Dichter
    und in die Welt.

    II

    Mädchen, Dichter sind, die von euch lernen
    das zu sagen, was ihr einsam seid;
    und sie lernen leben an euch Fernen,
    wie die Abende an großen Sternen
    sich gewöhnen an die Ewigkeit.

    Keine darf sich je dem Dichter schenken,
    wenn sein Auge auch um Frauen bat;
    denn er kann euch nur als Mädchen denken:
    das Gefühl in euren Handgelenken
    würde brechen von Brokat.

    Laßt ihn einsam sein in seinem Garten,
    wo er euch wie Ewige empfing
    auf den Wegen, die er täglich ging,
    bei den Bänken, welche schattig warten,
    und im Zimmer, wo die Laute hing.

    Geht!... es dunkelt. Seine Sinne suchen
    eure Stimme und Gestalt nicht mehr.
    Und die Wege liebt er lang und leer
    und kein Weißes unter dunklen Buchen, -
    und die stumme Stube liebt er sehr.
    ..... Eure Stimmen hört er ferne gehn
    (unter Menschen, die er müde meidet)
    und: sein zärtliches Gedenken leidet
    im Gefühle, daß euch viele sehn.

    Aus: Das Buch der Bilder
Liebe Vangelis,

ich würde sagen: im ersten Teil erzählt der Dichter davon, wie wunderbar es ist, daß es solche Mädchen gibt, mit denen ganz ohne "Brücken" tiefinnige Verständigung möglich ist, denn jede "Türe" führt von ihnen "in einen Dichter / und in die Welt".
Diese Strophe würde ich noch nicht in Richtung "getrennte Wege" interpretieren. Sie scheint mir eher davon zu sprechen, wieviel Nähe möglich ist zwischen einem Mädchen und einem Dichter...


Im zweiten Teil allerdings wird klar: das, was der Dichter in den Mädchen erblickt, muß für ihn "Mädchen" bleiben: fern, einsam, unberührbar für ihn ("Keine darf sich je dem Dichter schenken") - sonst wäre der Zauber dahin ("das Gefühl in euren Handgelenken / würde brechen wie Brokat").
Die Wirklichkeit liebt der Dichter "lang und leer", und "stumm" ...
Allerdings ist ihm trotz dieser selbstgewählten Einsamkeit und Enthaltung das Gefühl der Eifersucht (gerade in Bezug auf die "Menschen, die er müde meidet") nicht ganz fremd: "und: sein zärtliches Gedenken leidet / im Gefühle, daß euch viele sehn."

So etwa verstehe ich dieses Gedicht. Was in Deinem/Eurem Fall das "Richtige" ist, kann ich natürlich nicht sagen. Ebensowenig wie ich beurteilen kann, ob es tatsächlich als "Abschiedsgedicht" gemeint ist.
Es wäre natürlich eine Möglichkeit.

Es könnte aber auch sein, daß Dein "Dichter" Dir einfach seinen inneren Zwiespalt zeigen wollte, seine Sehnsucht danach, das ferne, einsame Mädchen in all seinem Zauber unberührt in seinem Herzen bewahren zu wollen... wie zu einem fernen Gestirn zu ihm aufzublicken... was sich natürlich schlecht mit lebendiger und wandelbarer Wirklichkeit verträgt...


Mir fällt zu diesem Thema noch ein anderes Gedicht ein, das "Lied" aus den "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge":

  • Du, der ichs nicht sage, daß ich bei Nacht
    weinend liege,
    deren Wesen mich Müde macht
    wie eine Wiege.
    Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
    meinetwillen:
    wie, wenn wir diese Pracht
    ohne zu stillen
    in uns ertrügen?
    - - - - -
    Sieh dir die Liebenden an,
    wenn erst das Bekennen begann,
    wie bald sie lügen.
    - - - - -
    Du machst mich allein. Dich einzig kann ich vertauschen.
    Eine Weile bist dus, dann wieder ist es das Rauschen,
    oder es ist ein Duft ohne Rest.
    Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren,
    du nur, du wirst immer wieder geboren:
    weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest.
Vielleicht kannst Du damit etwas anfangen?

Lieben Gruß!

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Vangelis2211
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Re: Interpretation gesucht zum "Buch der Bilder"

Beitrag von Vangelis2211 »

herzlichen dank *stilz* fuer deine interpretation, der ich sehr viel abgewinnen kann.
besonders die folgenden zeilen erscheinen mir , fuer *unsere* situation , sehr passend zu sein :

--> Es könnte aber auch sein, daß Dein "Dichter" Dir einfach seinen inneren Zwiespalt zeigen wollte, seine Sehnsucht danach, das ferne, einsame Mädchen in all seinem Zauber unberührt in seinem Herzen bewahren zu wollen... wie zu einem fernen Gestirn zu ihm aufzublicken... was sich natürlich schlecht mit lebendiger und wandelbarer Wirklichkeit verträgt...

diese , deine sicht , ist mir leider gar nicht bewusst geworden.

dein ausgewaehltes gedicht finde ich sehr beruehrend , kannte ich noch nicht und auch dafuer
ein dankeschoen.

mit liebem gruss
vangelis
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