Der Lyrik-TÜV

Rilke-Texte gesucht und gefunden

Moderatoren: Thilo, stilz

Antworten
Bo
Beiträge: 44
Registriert: 11. Okt 2006, 07:47

Der Lyrik-TÜV

Beitrag von Bo »

Hallo,
hat schon jemand im Buch von Steffen Jacobs 'Der Lyrik-TUV' das Kapitel über Rilke gelesen??!
Das ist heftig.
Bo
helle
Beiträge: 351
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene

Beitrag von helle »

Ich persönlich nicht, aber ich habe bei Perlentaucher nachgesehen, und u.a. eine Besprechung von Beate Tröger aus der FAZ gefunden, deren Rilke betreffenden Passus ich anführe:

"[…] Allerorten wittert der Prüfer vom Lyrik-TÜV neben Pathologien auch sprachliches Unvermögen. Beckmesserisch wirft er etwa Rilke die Verwendung des Reimes "verwettern - klettern" vor: "Weil sich's halt reimen muss, wird aus der verwitterten Fassade flugs eine ,verwetterte', und glauben Sie bitte nicht, ,verwettert' sei ein üblicher Ausdruck der damaligen Zeit. Eben habe ich auf meiner binären Schreibmaschine eine sogenannte Volltextsuche in einem Sammelwerk namens ,Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik' in Gang gesetzt, das immerhin 35 000 Gedichte aus fünf Jahrhunderten enthält. Zu dem Suchwort ,verwettert' fanden sich Fundstellen: keine. Ich wettere darauf, dass besagtes Wörtchen eine Spezialität Rilkes ist." Ein Griff zum Grimmschen Wörterbuch, das ja inzwischen ebenfalls online verfügbar ist, hätte hier schon weitergeholfen: Unter "verwettern" findet sich dort: "Seit dem 16. jh. als ableitung von wetter: dem wetter ausgesetzt sein."

Diese halbherzige Recherche verrät nicht nur eine gewisse Voreingenommenheit, sondern auch das Hausbackene dieses TÜVs, das schöpferische und stilisierende Bewegungen der poetischen Sprache nicht anerkennt und demzufolge - dies immerhin konsequent - einem Pfannkuchengedicht von Wilhelm Busch den Vorzug etwa vor den "Sonetten an Orpheus" gibt. Die Ergebnisse solcher Prüfungen sind vorhersehbar.

Hinter der Hemdsärmeligkeit, mit der Jacobs sein Geschmacksurteil zur Schau stellt, schimmern Ressentiments durch, die selbst seine Apologien in ein zweifelhaftes Licht rücken. Man hat manches über die Vorlieben dieses TÜV-Beauftragten erfahren, dazu etwas über die psychische Disponiertheit und sexuellen Vorlieben einiger bedeutender Dichter (was man gar nicht hat wissen wollen), aber kaum etwas darüber, was Gedichte zu gelungenen, ihre Zeit überdauernden Kunstwerken macht."

Gruß, h.
Antworten