Hallo, leider bin ich bei Nachforschungen über das Gedicht "Todeserfahrung" von Rilke noch relativ erfolglos gewesen.
Kann mir vielleicht jemand helfen, bin mir echt unsicher mit der Herangehensweise an diese Interpretation. Oder gibt es auch Interpretationshilfen zu dem Gedicht? Wir müssen dabei auch die Biografie von Rilke beachten.
Ich würde mich wirklich über jede Hilfe freuen.
Todes- Erfahrung
Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund
tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.
Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann
uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.
Rainer Maria Rilke 1907
Benötige Hilfe bei "Todes-erfahrung" Interpretatio
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Todeserfahrung
Für eine Interpretation bin ich zur Zeit nicht in der Lage, aber ein paar Hinweise zur Biographie:
Rilke hat dieses Gedicht im Andenken an den Tod der Gräfin Luise von Schwerin geschrieben, als er sich zum ersten Mal jährte, am 24.1.1907. Er hatte sie, schon sehr leidend, im Sanatorium Weißer Hirsch bei Dresden 1905 kennengelernt. Sie lud ihn und seine Frau für den Sommer 1905 nach Friedelhausen in Hessen ein. Für Rilke war dies eine sehr bedeutende Zeit, z. B. hat er in Friedelhausen sein "Stunden-Buch" für den Druck im Insel Verlag vorbereitet , aber auch seinen ersten richtigen Mäzen dort kennengelernt, den Bankier von der Heydt, dessen Besprechung des "Stunden-Buchs" in den Preussischen Jahrbüchern sehr zum raschen Erfolg dieses Buches beitrug. Und von Friedelhausen aus ist Rilke dann nach Paris zu Rodin gefahren, hat bei diesem in Meudon gelebt und einige Zeit als eine Art Sekrtär bei ihm gearbeitet. - die Phase der "Neuen Gedichte" begann.
Über "Rilkes Sommer in Friedelhausen" findest Du einen Essay von Renate Scharffenberg im http://www.marburger-forum.de. Da steht auch mehr zu Gräfin Luise (auch Bilder).
Guten Abend! Renée
Man kann sich dem Gedicht zum Beispiel nähern, wenn man die Pronomen auseinanderhält, also das "wir" und das "du". Das "du" ist eine Person, die hingegangen und gestorben ist, und das "wir" sind die Lebenden, die noch auf der "Bühne" des Lebens stehen. Dieses Bild, das Leben als Spiel, als Bühnenspiel, ist ein Leitmotiv des Gedichts und wird oft variiert: die Maske, die Rollen, die Bühne, das Hersagen, das Stück usw., das Gedicht bleibt immer auf dieser Bildebene. Eigentlich ist das ja eine bekannte Metapher, das Leben als "Spiel", das Besondere in diesem Gedicht liegt für mich darin, daß sie als Bild der menschlichen Oberflächlichkeit und Eitelkeit (der Gefallsucht) auftritt.
Dagegen steht ein Wissen, ein Begriff der Wirklichkeit, die vom Tod bestimmt sind. Das ist eine Gegensatzstruktur in Rilkes Gedicht, die mit dem "wir" und "du" zusammenhängt: hier die ihre Rollen spielenden Lebenden, dort jene (oder jener), die durch ihr Scheiden aus der Welt auf die Wirklichkeit des Todes hinweist, einen Spalt dahin öffnet. Diese Wirklichkeit ist unwiderruflich und definitiv, es heißt ja vom Tod, er spiele nicht, auch liege ihm nichts daran zu gefallen.
Vermutlich können die Menschen, können "wir", nicht anders als zu spielen, aber wir machen uns auch etwas vor dabei, das zeigt sich zum Beispiel darin, daß wir den Tod "entstellen", weil wir ihn klischeehaft als "Maskenmund tragischer Klage" darstellen, obwohl er es ist, der uns zeigen könnte, daß wir unser Spiel auch spielen könnten, ohne auf den Beifall aus zu sein.
Dies etwas in Kürze, Gruß
helle
Dagegen steht ein Wissen, ein Begriff der Wirklichkeit, die vom Tod bestimmt sind. Das ist eine Gegensatzstruktur in Rilkes Gedicht, die mit dem "wir" und "du" zusammenhängt: hier die ihre Rollen spielenden Lebenden, dort jene (oder jener), die durch ihr Scheiden aus der Welt auf die Wirklichkeit des Todes hinweist, einen Spalt dahin öffnet. Diese Wirklichkeit ist unwiderruflich und definitiv, es heißt ja vom Tod, er spiele nicht, auch liege ihm nichts daran zu gefallen.
Vermutlich können die Menschen, können "wir", nicht anders als zu spielen, aber wir machen uns auch etwas vor dabei, das zeigt sich zum Beispiel darin, daß wir den Tod "entstellen", weil wir ihn klischeehaft als "Maskenmund tragischer Klage" darstellen, obwohl er es ist, der uns zeigen könnte, daß wir unser Spiel auch spielen könnten, ohne auf den Beifall aus zu sein.
Dies etwas in Kürze, Gruß
helle
Für mich hat die Metapher "das Leben als Spiel" in diesem Gedicht zwei verschiedene Bedeutungen:
Einerseits das "Rollenspiel", auf der Bühne, also mit Schielen auf die anderen, wie kommt unser Spiel bei ihnen an...
Andererseits, wenn der Tod eines Nahestehenden uns betrifft, uns "einen Streifen Wirklichkeit" erleben läßt: da spielen wir nicht mehr unsere gewohnten Rollen auf der Bühne, sondern wir spielen das Leben selbst, sind auf einmal "mittendrin"...
Und wir "spielen" nicht nur anders, sondern nehmen auch anders wahr:
... Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
In dieser Weise kann eine "Todes-Erfahrung" fast so etwas wie ein Geschenk sein... und es liegt wohl an uns, ob wir nach einer Weile tatsächlich wieder zum gewohnten "Rollen-/Bühnenspiel" zurückkehren oder versuchen, uns auch weiterhin vom Leben "be-treffen" zu lassen...
Dies nur als kurze Ergänzung zu helles Gedanken, denen ich mich ansonsten vollinhaltlich anschließe.
Lieben Gruß
stilz
Einerseits das "Rollenspiel", auf der Bühne, also mit Schielen auf die anderen, wie kommt unser Spiel bei ihnen an...
Andererseits, wenn der Tod eines Nahestehenden uns betrifft, uns "einen Streifen Wirklichkeit" erleben läßt: da spielen wir nicht mehr unsere gewohnten Rollen auf der Bühne, sondern wir spielen das Leben selbst, sind auf einmal "mittendrin"...
Und wir "spielen" nicht nur anders, sondern nehmen auch anders wahr:
... Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
In dieser Weise kann eine "Todes-Erfahrung" fast so etwas wie ein Geschenk sein... und es liegt wohl an uns, ob wir nach einer Weile tatsächlich wieder zum gewohnten "Rollen-/Bühnenspiel" zurückkehren oder versuchen, uns auch weiterhin vom Leben "be-treffen" zu lassen...
Dies nur als kurze Ergänzung zu helles Gedanken, denen ich mich ansonsten vollinhaltlich anschließe.
Lieben Gruß
stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)