Hallo,
weiß jemand aus welchem Gedicht diese Passage stammt:
Nächtens will ich mit dem Engel reden, ob er meine Augen anerkennt....
Danke
Tom
"Nächtens will ich mit dem Engel reden..."
Nächtens will ich mit dem Engel reden,
ob er meine Augen anerkennt.
Wenn er plötzlich fragte: Schaust du Eden?
Und ich müsste sagen: Eden brennt
Meinen Mund will ich zu ihm erheben,
hart wie einer, welcher nicht begehrt.
Und der Engel spräche: Ahnst du Leben?
Und ich müsste sagen: Leben zehrt
Wenn er jene Freude in mir fände,
die in seinem Geiste ewig wird, -
und er hübe sie in seine Hände,
und ich müsste sagen: Freude irrt
"Modern", sagst Du, Mathilda... mit diesem Wort ist das so eine Sache, ich finde immer, man kann es auch auf der ersten Silbe betonen, und dann zeigt sich seine Vergänglichkeit...
Ich würde daher eher sagen: zeitlos.
Denn es hat wohl zu allen Zeiten Situationen gegeben, in denen man sagen konnte "Eden brennt"...
Ich kenne den Hintergrund dieses Gedichtes nicht. Es stammt aus dem Jahre 1914, vielleicht hat das etwas zu bedeuten?
Von dem Dichter des Stunden-Buches hättest Du das nicht erwartet, sagst Du, und das kann ich einerseits gut verstehen.
Andererseits: für mich ist RMR nicht jemand, der in seinen Kunstwerken in erster Linie seine Meinungen kundtut. Sondern er ist für mich ein Schauender, der mehr wahrnimmt als viele andere, und der dieses "Mehr" noch dazu in Worte zu kleiden vermag, die auch dem Leser sehr viel Raum lassen.
Ich möchte versuchen, ein bißchen davon zu vermitteln, wie sich dieser von RMR gelassene Raum in mir ausgestaltet:
Aus diesem Gedicht - wie gesagt, ohne seinen Hintergrund zu kennen - klingt für mich neben den endgültig scheinenden Sätzen "Eden brennt", "Leben zehrt" und dem schrecklichen "Freude irrt" auch noch eine Frage:
ob er meine Augen anerkennt.
"Anerkennen" --- das ist ein ganz besonderes Wort in diesem Zusammenhang. Es geht nicht (zumindest nicht nur) darum, ob diese Augen "recht haben" mit dem, was sie erblicken. Sondern es scheint darum zu gehen, diese Augen und das, was sie sehen, zu würdigen.
Zwischen den Zeilen meine ich zu spüren, daß diese Augen sich bemüht haben, nicht nur oberflächlich-flüchtig herumzuschweifen und sofort ein Urteil zu fällen. Sondern sie sind es gewohnt, auch in die Tiefe und in die Weite und hinter die Dinge zu blicken... umso schwerer wiegen die drei "Keulenschläge" am Ende der Strophen.
Und es wäre nicht Rilke, wenn sich dieses "Schwere" nicht auch sprachlich ausdrückte: jedesmal nur drei Silben, und jede Strophe endet in einem einsilbigen Verb, das keinen Raum mehr zu lassen scheint für ein Fragezeichen... das wirkt auf mich wie eine zusätzliche Herausforderung an den Engel.
Allerdings: es steht auch kein Punkt nach "brennt", "zehrt", "irrt" - - -
Die Antwort des Engels kennen wir nicht.
Danke, Tom, fürs Aufmerksammachen! Dieses Gedicht hat mich sehr berührt.
stilz
ob er meine Augen anerkennt.
Wenn er plötzlich fragte: Schaust du Eden?
Und ich müsste sagen: Eden brennt
Meinen Mund will ich zu ihm erheben,
hart wie einer, welcher nicht begehrt.
Und der Engel spräche: Ahnst du Leben?
Und ich müsste sagen: Leben zehrt
Wenn er jene Freude in mir fände,
die in seinem Geiste ewig wird, -
und er hübe sie in seine Hände,
und ich müsste sagen: Freude irrt
"Modern", sagst Du, Mathilda... mit diesem Wort ist das so eine Sache, ich finde immer, man kann es auch auf der ersten Silbe betonen, und dann zeigt sich seine Vergänglichkeit...
Ich würde daher eher sagen: zeitlos.
Denn es hat wohl zu allen Zeiten Situationen gegeben, in denen man sagen konnte "Eden brennt"...
Ich kenne den Hintergrund dieses Gedichtes nicht. Es stammt aus dem Jahre 1914, vielleicht hat das etwas zu bedeuten?
Von dem Dichter des Stunden-Buches hättest Du das nicht erwartet, sagst Du, und das kann ich einerseits gut verstehen.
Andererseits: für mich ist RMR nicht jemand, der in seinen Kunstwerken in erster Linie seine Meinungen kundtut. Sondern er ist für mich ein Schauender, der mehr wahrnimmt als viele andere, und der dieses "Mehr" noch dazu in Worte zu kleiden vermag, die auch dem Leser sehr viel Raum lassen.
Ich möchte versuchen, ein bißchen davon zu vermitteln, wie sich dieser von RMR gelassene Raum in mir ausgestaltet:
Aus diesem Gedicht - wie gesagt, ohne seinen Hintergrund zu kennen - klingt für mich neben den endgültig scheinenden Sätzen "Eden brennt", "Leben zehrt" und dem schrecklichen "Freude irrt" auch noch eine Frage:
ob er meine Augen anerkennt.
"Anerkennen" --- das ist ein ganz besonderes Wort in diesem Zusammenhang. Es geht nicht (zumindest nicht nur) darum, ob diese Augen "recht haben" mit dem, was sie erblicken. Sondern es scheint darum zu gehen, diese Augen und das, was sie sehen, zu würdigen.
Zwischen den Zeilen meine ich zu spüren, daß diese Augen sich bemüht haben, nicht nur oberflächlich-flüchtig herumzuschweifen und sofort ein Urteil zu fällen. Sondern sie sind es gewohnt, auch in die Tiefe und in die Weite und hinter die Dinge zu blicken... umso schwerer wiegen die drei "Keulenschläge" am Ende der Strophen.
Und es wäre nicht Rilke, wenn sich dieses "Schwere" nicht auch sprachlich ausdrückte: jedesmal nur drei Silben, und jede Strophe endet in einem einsilbigen Verb, das keinen Raum mehr zu lassen scheint für ein Fragezeichen... das wirkt auf mich wie eine zusätzliche Herausforderung an den Engel.
Allerdings: es steht auch kein Punkt nach "brennt", "zehrt", "irrt" - - -
Die Antwort des Engels kennen wir nicht.
Danke, Tom, fürs Aufmerksammachen! Dieses Gedicht hat mich sehr berührt.
stilz