Übersetzung von "En une seule fleur"

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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111er

Übersetzung von "En une seule fleur"

Beitrag von 111er »

Hallo allseits!
Da ich mit einem Chor dieses Wochenende Lauridsens Vertonung von "En une seule fleur" ("C'est pourtant nous qui t'avons proposé de remplir ton calice") aus "Les chansons des roses" singe, bat mich unser Dirigent, dieses Gedicht fürs Programmheft ins Deutsche zu übersetzen. Nun schlage ich mich schon seit vorgestern damit herum und komme über eine relativ wörtliche Variante einfach nicht hinaus, die natürlich in keinster Weise den tieferen Sinn des Gedichts berücksichtigt. Kennt irgendjemand eine einigermaßen brauchbare Übersetzung? Vielen Dank im Voraus, besonders für eilige Antworten!
Liebe Grüße
Steffen
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Vorausgesetzt, es gibt keine - was ich mir kaum vorstellen kann - und vorausgesetzt, ich kriege den Text geliefert -ist er hier schon aufgenommen oder sonstwo im Netz leicht zu finden oder könntest du ihn einstellen ?-, würde ich es versuchen. Ich mache gelegentlich auch so was für meinen Chor.
Gruß
gliwi
111er

Übersetzung von "En une seule fleur"

Beitrag von 111er »

Hallo Gliwi!
Danke, daß du mir helfen willst.
Hier der Originaltext und mein Übersetzungsversuch (bitte nicht schlagen):

En une seule fleur

C'est pourtant nous qui t'avons proposé
de remplir ton calice.
Enchantée de cet artifice,
ton abondance l' avait osé.

Tu étais assez riche, pour devenir cent
fois toi-même en une seule fleur;

c'est l'état de celui qui aime...
Mais tu n'as pas pensé ailleurs.

In einer einzigen Blume

Vielleicht sind wir es, die dir vorschlugen,
deinen Kelch aufzufüllen.
Hocherfreut über diese Farce wagte es deine Fülle.

Du warst reich genug, um dich hundertfach
in einer einzigen Blume zu verwirklichen.

Solcherart ist der Zustand eines Liebenden...
aber du hast nie anders gedacht.

Gruß
Steffen
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Lieber Steffen,
gehauen wird nicht. Ich bedaure, dass ich nicht weiß, wer oder was"du" ist. Vielleicht klärt das noch jemand auf? Aber ob es bei der Übersetzung hilft, weiß ich nicht. Leider habe ich keinen Reim hingekriegt. Die Wörter sind zu abseitig.
Also meine Version:
In einer einz`gen Blüte

Doch waren wir es, die dir rieten,
zu füllen dir den Kelch.
Von diesem Kniff bezaubert,
hast du`s gewagt aus deinem Überfluss.

Reich genug warst du, du selbst zu werden
viele Male in einer einz`gen Blüte.

So ergeht es dem, der liebt...
Doch du hast nie an anderes gedacht.

So ist es wenigstens ein bisschen rhythmisch. Vielleicht kann`s jemand noch besser?
Gruß
gliwi
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo,
ich will nicht die schönen Übersetzerkünste stören, aber ich habe in der neuen Ausgabe der Rilke-Gedichte nachgeschlagen, und dort präsentiert sich der Text etwas anders. Vielleicht hilft das etwas. Zunächst: Das Gedicht vom September 1924 hat keine Überschrift. Es gehört zum Zyklus 'Les Roses' und hat dort ganz einfach die Bezeichnung: "IV".

Der Text sieht dort folgendermaßen aus:

C'est pourtant nous qui t'avons proposé
de remplir ton calice.
Enchantée de cet artifice,
ton abondance l'avait osé.

Tu étais assez riche, pour devinir cent fois toi-même
en une seule fleur;
c'est létat de celui qui aime...
Mais tu n'as pas pensé aileurs.

So ist auch wieder die Strophenform klar. Die Konfusion entstand wohl durch die überlange 5. Zeile.

Es gibt in der Ausgabe auch eine Prosa-übersetzung von Rätus Luck:

Wir sind es doch, die dir vorgeschlagen haben, deinen Kelch zu füllen. Entzückt von diesem Kunstgriff hatte dein überfluß es gewagt.

Du warst reich genug, um hundertmal du selbst zu werden in einer einzigen Blume; das ist der Zustand dessen, der liebt ... Aber du hast nirgendshin gedacht.

Außerdem gibt es seit 2001 die Übersetzung von Ybvonne Goetzfried:

Doch haben wir dir vorgeschlagen,
den Blütenkelch bis an den rand zu füllen
Begeistert warst du, diesen Kunstgriff
in deinem Überfluß zu wagen.

Fühltest dich reich, um hunertmal
du selbst zu sein aus einer Blume;
hingegeben wie die Liebende ...
Hast aber nie an anderes gedacht.

Aber es gibt natürlich bestimmt auch noch ältere Übersetzungen. Ob sie auch Karl Krolow übersetzt hat, kann ich im Moment nicht nachsehen. Aber das ist wohl auch nicht so wichtig. Linda hat da sicher eine Menge Information?
Viel Freude mit Rosen und Rilke wünscht e.u.
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Hallo e.u.,
könnte Rilke hier meinen, dass die Rose von der einfachen Wildrose auf "Vorschlag", also Eingriff des Menschen hin zur Edelrose mit vielen Blütenblättern wurde? Dass sie sich "vervielfältigt" hat? Dasss das in ihr angelegt war und ihrem eigentlichen Wesen entsprochen hat? Dann wundert mich nur, dass er männlich formuliert: celui qui aime, wo es doch deutsch wie französich die Rose ist. Dann lasse ich es auch bewusst so stehen, obwohl ich die weibliche Form vorzöge. Aber ich werd' doch nicht Rilke verbessern!
Wenn es eine Übersetzung von Krolow gibt, dann ziehe ich mich natürlich sofort zurück und bin gespannt, sie zu lesen, aber, mit Verlaub, mit dem, was du freundlicherweise hier zitierst, kann ich schon mithalten, bilde ich mir mal ein. Jedenfalls ist "Blüte" zutreffender als "Blume". Die Blume meint ja das Ganze, aber es geht nur um die Blütenform, wenn ich richtig liege.
Gruß
Christiane
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo Christiane,
bitte kein Missverständnis, ich habe mich nur "eingemischt", weil mir die Zeilenanordnung der französischen Fassung wichtig erschien (und sich daraus ja auch unnötige Übersetzungsprobleme ergeben können). Alles andere ist Beiwerk, das ich nur als Anregung gebracht habe. Wenn man Übersetzungen mit dem Origínal und untereinander vergleicht, versteht man den Text meist besser, oder erkennt erst richtig die Probleme, die darin enthalten sind.
Von Krolows Übersetzungen weiß ich nur, habe sie jedenfalls nicht (mehr) in Erinnerung. Vielleicht weiß jemand aus dem Forum mehr.
Auch für Rilkes Rosen-Gedichte gibt es eine Menge Experten ....

Mein Eindruck vom Gedicht:
Es ist die Zwiesprache eines Ichs mit der Rose
Es stellt vor, dass die Wildrose mit einer einfachen Blüte zufrieden gewesen ist und erst der Mensch als Züchter sie dazu gebracht hat, die ganze Blüte mit Blättern anzufüllen, was sie ganz bezaubert vom menschlichen Vorschlag getan hat.
Die Rose war nämlich reich genug, um sich selbst in einer einfachen Blüte hundertmal zu vervielfältigen.
Das ist dann die Basis eines Vergleichs mit dem Seelenzustand des Liebenden ...
Aber soweit habe die Rose selbst nie gedacht.

Auch das nur als Vorschlag für (m)eine Lesart. Man muss eigentlich die vorausgehenden Gedichte des Rosen-Zyklus lesen, dann wird der Interpretationsspielraum sichtbar: Liebende (wie so oft bei Rilke), aber auch die Rose als 'Buch' (Dichtung). Das legt vielleicht nahe, diese beiden typischen Rilke-Themen als (mindestens) doppelte Codierung des Texts anzusehen.
Da in der vorletzten Zeile das Gedicht aus der Rosen-Anrede herausspringt und auf die Vergleichsebene wechselt, kann ja auch das Genus wechseln. Nimmt man das lyrische Ich als männlich an, dann ist das so eine Art Bewußtwerdung, dass der Wandel der Rosensorten, mit dem Zustand der eigenen Person etwas zu tun haben könnte. Aber bitte, das ist nur eine Hypothese ....
Mit Dank für die Anregungen: e.u.
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Lieber e.u.,
niemals würde ich deine kenntnisreichen und erhellenden Beiträge als "Einmischung" bezeichnen!
Gruß
Christiane
Gast

Beitrag von Gast »

gliwi hat geschrieben:Hallo e.u.,
könnte Rilke hier meinen, dass die Rose von der einfachen Wildrose auf "Vorschlag", also Eingriff des Menschen hin zur Edelrose mit vielen Blütenblättern wurde? Dass sie sich "vervielfältigt" hat? Dasss das in ihr angelegt war und ihrem eigentlichen Wesen entsprochen hat? Dann wundert mich nur, dass er männlich formuliert: celui qui aime, wo es doch deutsch wie französich die Rose ist. Dann lasse ich es auch bewusst so stehen, obwohl ich die weibliche Form vorzöge. Aber ich werd' doch nicht Rilke verbessern!
Wenn es eine Übersetzung von Krolow gibt, dann ziehe ich mich natürlich sofort zurück und bin gespannt, sie zu lesen, aber, mit Verlaub, mit dem, was du freundlicherweise hier zitierst, kann ich schon mithalten, bilde ich mir mal ein. Jedenfalls ist "Blüte" zutreffender als "Blume". Die Blume meint ja das Ganze, aber es geht nur um die Blütenform, wenn ich richtig liege.
Gruß
Christiane
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo,

ich kann zwar nur sehr schlecht französisch, aber das interessiert mich jetzt:
e.u., Du schreibst

Das ist dann die Basis eines Vergleichs mit dem Seelenzustand des Liebenden ...
Aber soweit habe die Rose selbst nie gedacht.


Ich hätte es eher umgekehrt gesehen: die Rose habe nie anders gedacht, war also immer schon (auch vor der "Vervielfältigung") in einem ähnlichen Seelenzustand wie der Liebende... (daher auch ihre besondere Anziehungskraft für Rilke?)

Mais tu n'as pas pensé ailleurs.

Aber dazu müßte man jetzt wohl alle feinen Bedeutungen von "ailleurs" kennen... kenn ich aber nicht... ???

Lieben Gruß!

stilz
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Beitrag von stilz »

Noch eine Idee:

Dieses "ailleurs" scheint mir in der Mehrzahl zu stehen (kann natürlich auch sein, daß es einfach ein Adverb ist, oh meine französische Unzulänglichkeit...) --- könnte es auch bedeuten, "Du hast nie an andere gedacht"???

Und dann wäre die Rose zwar in ihrer Überfülle dem Zustand des Liebenden gleich, nur daß sie - im Gegensatz zum Liebenden - dafür kein "Gegenüber" braucht, sondern ganz aus/für sich allein so überreich sein kann...

Und dazu fällt mir jetzt wieder die rätselhafte Verszeile aus dem "Grabspruch" ein:

Lust, niemandes Schlaf zu sein unter so viel Lidern...

oder auch reiner Widerspruch - - - wie schafft sie das nur, ganz ohne "Objekt"?

Was meint Ihr?

Nochmal lieben Gruß, aus einem strahlend-sonnigen Wintertag

stilz
gliwi
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Beitrag von gliwi »

ailleurs, liebe stilz, hat immer ein s und ist immer nur örtlich zu verstehen.
Gruß
gliwi
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stilz
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Beitrag von stilz »

Liebe gliwi,


was sagst Du da, örtlich?!

Darauf wär ich nicht gekommen, weil doch die bisherigen Übersetzungen "an anderes" sagen...

Aber örtlich, das hieße dann wohl "anderswo", oder vielleicht sogar "anderswohin"... dieser letzteren Bedeutung würde ich dann den Vorzug geben, denn erstens ergibt "Du hast nie anderswo gedacht" keinen für mich unmittelbar verständlichen Sinn, und zweitens:

Du hast nie anderswohin gedacht

träfe sich so schön mit meiner Idee von vorhin...


Und wenn ich mal ein bisserl mehr Zeit hab, lern ich (ein bisserl mehr) Französisch...


Lieben Gruß

stilz
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Genau, Stilz, so heißt es wörtlich, und die ÜbersetzerInnen einschließlich meiner Person haben es nicht geschrieben, weil es im Deutschen bescheuert klingt. Aber zum genauen Verständnis müsste man es so sagen.
Gruß
gliwi
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Gast

Re: Übersetzung von "En une seule fleur"

Beitrag von Gast »

111er hat geschrieben:Hallo Gliwi!
Danke, daß du mir helfen willst.
Hier der Originaltext und mein Übersetzungsversuch (bitte nicht schlagen):

En une seule fleur

C'est pourtant nous qui t'avons proposé
de remplir ton calice.
Enchantée de cet artifice,
ton abondance l' avait osé.

Tu étais assez riche, pour devenir cent
fois toi-même en une seule fleur;

c'est l'état de celui qui aime...
Mais tu n'as pas pensé ailleurs.

In einer einzigen Blume

Vielleicht sind wir es, die dir vorschlugen,
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Hocherfreut über diese Farce wagte es deine Fülle.

Du warst reich genug, um dich hundertfach
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Solcherart ist der Zustand eines Liebenden...
aber du hast nie anders gedacht.

Gruß
Steffen
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