Suche ursprünglichen Schluss des "Stundenbuch"

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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Barbara
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Suche ursprünglichen Schluss des "Stundenbuch"

Beitrag von Barbara »

Hallo ins Forum,

ich suche den ursprünglichen Schluss des "Stundenbuch. Dritttes Buch" von R.M. Rilke. Es beginnt "Nur Einer ist, ein Wachender, ein Reifer..." und soll eine "Huldigung an Rodin enthalten". Im Briefwechsel Rilke/ Rodin (herausgegeben von R. Luck, Insel Verlag, 2001, S. 68 ) ist als Quelle SW III, S. 773 genannt . (Leider habe ich die SW nicht und kann nicht nachsehen. In der KA steht es nicht.)

Ich würde mich sehr freuen, wenn mir ein Forums Mitglied weiterhelfen könnte!

Viele Grüße, Barbara :)
Renée
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Suche ursprünglichen Schluß des Stunden-Buchs

Beitrag von Renée »



Liebe Barbara,

es stimmt mit der Angabe SW 3, S.773. Dort heißt es:

Nur Einer ist, ein Wachender, ein Reifer,
ein großer Für-Sich-Redender im Stein;
unendlich hart und herrisch als Ergreifer
und so wie Osterglocken rein im Eifer
und selig schwingend im Ergriffensein.

Er dauerte in täglichem Verzichte
auf seine Zeit zu einem Alter hin;
ein großer Bart geht aus aus seinem Kinn
und fließt jetzt langsam hin in weißem Lichte
und ist der Strom der inneren Gesichte
und ganz erfüllt von seinem Anbeginn.

Ernst Zinn merkte dazu an: "Ursprünglicher Schluß des "Buches von der Armut und vom Tode" Die drei Gedichte (das letzte auf Rodin bezüglich) beschließen die erste Niederschrift des "Buches von der Armut und vom Tode", wurden aber in die Reinschrift vom Frühsommer 1903 nicht aufgenommen; im Manuskript folgen sie unmittelbar auf den jetzigen Schluß des Ganzen...."

Die vorhergehenden Gedichte "Wann aber wirst Du, großer Geigenbauer..." und "Du bist die Hand, die in die Geigenböden..." stehen in SW 3, S. 771/72.

Möchtest Du auch diese Texte, die sich nicht auf Rodin beziehen ?

Gute Tage wünscht erstmal - Renée
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Renèe,

Danke für die rasche Antwort !

In diesem Fall hat mich nur dieser Abschnitt zu Rodin interessiert, da ich gerade den Briefwechsel Rodin/ Rilke lese. Es könnte aber sicher auch interessant sein, die beiden anderen Teile ebenfalls zu kennen. Wenn es also nicht zu viel Mühe macht... : vielleicht stellst Du sie auch noch hier ins Forum?!

Ganz herzlichen Dank und viele Grüße von Barbara
:lol:
Renée
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Suche den ursprünglichen Schluss des "Stunden-Buchs&quo

Beitrag von Renée »



Gern, liebe Barbara, hier die beiden anderen Gedichte:

Wann aber wirst Du, großer Geigenbauer,
noch eine Geige bilden so wie ihn,
und ihre Dunkel mit dem Regenschauer
seliger Saiten überziehn ?

Es tönen Viele.Tönen im Gewirre
und werfen ihre Worte in den Wind;
doch sie frohlocken und sie klagen irre
und reifen nicht, weil sie nicht einsam sind.

Und so sind alle Kundigen der Künste:
Verlorene in Lärm und Lust der Zeit.
Und ihre Dinge sind verdünnte Brünste
und dauern traurig eine Eitelkeit.
Sie sind von großer Hoffahrt angefaßte
und darum taumeln sie von Tand zu Tand,
und können weder Hände sein noch Taste
und schwanken nur...
Du aber bist die Hand.

_

Du bist die Hand, die in die Geigenböden
versenkt das heimliche Geräusch der Welt.
Die stille Hand, die alle Dinge hält,
und die in Ängsten und in großen Öden
Einsame wie ein Engel überfällt.

Du bist die Hand, die mit den neuen Zweigen
aus ihren Ästen geht, den Wind hinauf,
Du bist die Hand, aus der die Stürme steigen
und fühlst die Mädchen an wie grüne Feigen
und deckst den Reifen ihre Röte auf.

Du bist die Hand, die aus dem Abgrund reicht,
und in den Nächten greifst Du nach den Schwachen,
die Dich erwarten weil sie lange wachen,
und hebst sie auf und fühlst sie an wie Sachen
und formst sie und vollendest sie vielleicht...

_

Ich kann ganz gut verstehen, warum Rilke diese Verse ins Stunden-Buch, noch dazu als Schluß, nicht aufgenommen hat, oder ? Er hat übrigens
später, im Sommer 1904, an eine Fortsetzung des Stunden-Buchs gedacht, es sind aber nur zwei Gedichte daraus bekannt, gibt wohl auch nicht mehr.

I
Ich konnte Dich wie eine Rose rühmen,
Du gingst zurück, Dein Angesicht verblich;
aber in dieses Sturmes Ungestümen
da kommst Du, Herr und da erkenn ich Dich.

II
Da kenn ich Dich und was mich von Dir trennte
ist fortgenommen und mit Dir vertauscht
Du Mantel, der um bange Kontinente
in schweren Falten fällt und rauscht.

Wer hat verkündigt, daß Du zürnst und liebst;
daß Du verwandelst , kann ich von Dir sagen.
Wir sind nicht Herde und Du bist nicht Hirt.
Ich habe nie gesehen, daß Du giebst
und daß Du nimmst. Du handelst wie in Tagen,
da alles wurde: Siehe, alles wird.

_

Damals, in Schweden, entstanden Gedichte , die dann ins "Buch der Bilder" aufgenommen wurden - in einem anderen, neuen Ton. Mir sind sie lieber ...

Bis bald, Renée
Barbara
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Entwicklungen und Übergänge

Beitrag von Barbara »

Danke, Renèe, für die Texte .

Im Grunde sind sie ( - oder sehe ich das falsch ? - ) ein Rückschritt in frühere Zeiten. Sie passen - vom Stil her - eher zu den ersten Büchern des "Stundenbuchs". Mir persönlich gefallen seine späteren Gedichte besser.

Später schreibt Rodin an Rilke - am 6.1.1908 -: "... Ihre Briefe machen mir eine grosse Freude, auch die Zusendung ihres letzten Gedichtbuches..." < - das müssen wohl die "Neuen Gedichte" sein - oder ?> und weiter: "...Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir unbesiegbar sind und herausgetreten aus den Einwirkungen der Mode des 19. Jahrhunderts, welche die Arbeit durch ein magisches und zum Glück der Schwachen und der Faulen gefundenes Wort ersetzt: Ideal, Paßwort für all die gezierten Lächerlichkeiten. Ja, wenn man sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, hat man eine Idee, aber sehr einfach und frei von Anmaßung.
Die Natur muß gesehen und eingeatmet werden, einfach und ununterbrochen: im übrigen <ist das Stoff für> Gespräche, und ich werde Ihr Eintreffen in Meudon erwarten, um sie wieder aufzunehmen..." (Rilke/ Rodin Briefwechsel, herausgegeben von R. Luck, Insel, 2001, S. 221f.)

Viele Grüße von Barbara :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

der ursprüngliche Schluss des "Stundenbuchs" steht jetzt auch in der Rubrik "Gedichte" unter "Stundenbuch":

http://www.rilke.de/gedichte/das_buch_v ... .htm#urspr

Viele Grüße von Barbara
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