Rilke an seine Mutter, Schmargendorf, am 27. März 1900:
"Im Theater war ich gar nicht, nichteinmal (wie ich ursprünglich vor hatte) in der Ibsen-Première. Es ist zu lesen so wenig erfreulich dieses
Wenn wir Toten erwachen, daß ich nicht glaube, daß es ein sehr großer Verlust ist, dieser Aufführung nicht beigewohnt zu haben. Das Stück ist (nach der Lecture beurtheilt) nicht etwa greisenhaft und schwach, nur so ungeheuer einseitig, voll szenischer Übertreibungen und feinsinnig ausgetüftelter Dialoge, die nie zwischen lebenden Menschen sich bewegen können in dieser Art. Der Schluß ist ein Lawinensturz (man denke auf der Bühne!) der zwei Menschen (eben jene beiden die das Leben, die einander über einem Bildnertraum versäumt, verlassen, verloren haben) mitreißt ... Über die dahinrollenden Totgeweihten breitet eine barmherzige Schwester, welche sie im Gebirge sucht, die Hände aus mit den Worten: Pax vobiscum. ('Der Friede sei mit euch') Als das Stück in Nürnberg vor einem ganz ibsen-ungewohnten Publikum gegeben wurde, hörten die anwesenden Damen aus den lateinischen Schlußworten heraus: Max wo bist Du? Und da sie gehört hatten, daß Ibsen 'mystisch' sei, kam ihnen das als besonders bedeutsam vor, daß am Schluß eines Stückes hoch in den verschneiten Bergen eine Nonne sich plötzlich nach irgend einem geheimnisvollen Max erkundigt, der in dem Stücke
nicht vorkommt.!!!"
sedna
