stilz hat geschrieben:Wenn man (…) eine bildliche Darstellung anfügen will, dann ist es meiner Meinung nach notwendig, dazu einen ganz neuen "inneren Gegenstand" ins Auge zu fassen und damit einen neuen "Kunstraum" zu eröffnen: das, was Rilke mit dem "Liebes-Lied" sagt, ist vollendet. Aber das, was es in einem heutigen Leser, in Dir, auslöst, und was Du dann damit innerlich "machst", das ist noch nicht gesagt.
Und gerade, wenn auf Deinem Bild schließlich weder eine Geige noch auch ein "Liebespaar" zu sehen wären, könntest Du damit dem Betrachter nicht nur vermitteln, wie Du das "Liebes-Lied" begreifst, sondern vor allem: warum Du es ausgesucht hast. Was Du dem heutigen Betrachter damit sagen willst. Es könnte dadurch ein ganz neues "Kunstwerk" entstehen, Deines; in dem das Rilke-Gedicht ein "Baustein" wäre.
Insofern finde ich es ja schön, daß es in Eurer Aufgabe nicht um "Illustration" gehen soll, sondern um "Visualisierung".
Ich habe leider keine Ahnung, wie ein solches Herangehen bei Deinem Lehrer ankommt …
Dieses: „einen neuen Kunstraum Eröffnen“ empfinde ich als eine reizvoll anspruchsvolle Anregung, und ich beobachte an mir seit Deinem Beitrag, liebe Ingrid, dass ich bei solchen Versuchen gar nicht innere „Gegenstände“, sondern eher so etwas – schwer auszudrücken! – wie „innere Tätigkeiten“ ergreife; auch das trifft's noch nicht, es ist fast, wie wenn in Sätzen die Substantive fehlen. Nicht im Entlegensten kommen in diesem innerlichen Schaffen und Umschaffen Gegenstände wie Geige oder Liebespaar vor.
Und ich bemerke, dass mich schon der Versuch, dieses innere Geschehen künstlerisch umzusetzen, völlig überfordert, wenn ich von mir erwarte, es ins Sichtbare zu synästhetisieren.
Ich schreibe das NICHT, um zu wiederholen, dass ich die Aufgabe für abwegig hielte oder für unlösbar. Das will ich heute etwas anders beurteilen dank Deinem Beitrag, Ingrid. Aber ich halte sie – ganz unabhängig vom Anspruchsniveau des Lehrenden oder vom Ehrgeiz der SchülerInnen! – für schwierig, denn das
erlebe ich ja. Mit dem leichten Zusammenkleben einer Collage kann sie eben gar nicht erfüllbar sein.
Und ich bin ganz davon überzeugt, dass - wenn man überhaupt einen solchen (modischen?) pädagogischen Zugang zur Poetik verantwortlich verfolgen möchte – hier Deutschlehrer wie SchülerInnen gleichermaßen eine ganz bestimmte Hilfe brauchen, notwendig: nämlich die des
Kunsterziehers. Der wäre vielleicht sogar dankbar für die Herausforderung, über den Rand des eigenen Metiers hinaus in den Deutschkurs eingeladen zu werden. Ich glaube, ohne den Beistand von künstlerischer, hier: kunsterzieherischer Seite kann es nicht gehen; es wird sonst weniger als Quark herauskommen und nichts mit dem Beabsichtigten, der Vermittlung des Sprachkunstwerks, zu tun haben.
Womit ich nicht ausschließen will, dass die eine oder andere Persönlichkeit unter den Lehrerinnen und Lehrern die beiden Fähigkeiten vereint oder SchülerInnen aus beiden Talenten schöpfen. Aber auch in diesen glücklichen Fällen wird viel auf das (auch: methodische!) Potential ankommen, das für die Kunsterziehung entwickelt ist.
Ich erwarte nicht, in den Schulstuben sollten Zeugnisse künstlerischer Vollendung ausliegen, nein. Aber: Belege künstlerischer ANFÄNGE. Solchen Anfängen würde durch unverdiente Aufmerksamkeit für Dilettantisches ebenso der Schwung genommen wie durch eine in Resignation führende Überforderung (wiederum: auf BEIDEN Seiten).
Na, das muss ich keinem Lehrer sagen, das ist ja pädagogisch ganz selbstverständlich. Aber dass der Deutschlehrer in einem solchen Moment den fachnahen Kollegen zu Rate zieht und nicht Schülerinnen mit etwas herumeiern lässt was er selbst nicht beherrscht,
das ist wohl so selbstverständlich leider durchaus nicht.
Das will ich zum Schluss noch sagen: Auch Ihr SchülerInnen, Siggy, könnt es anregen, ja nötigenfalls einfordern, dass der Fachbereich Kunsterziehung Euch da beisteht. Wenn ein solcher ("
Lernfeld-")Zusammenhang gestiftet wird, dann war Eure Aufgabe viel wert, wie auch immer Ihr sie löst.
Meint
l.