Zunächst einmal zu den Missverständnissen und Fragen:
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sedna: Ich meinte nicht Tao te king I;i;5
- (Der Zwischenraum
zwischen Himmel und Erde
ist wie eine Flöte,
leer und fällt doch nicht zusammen;
bewegt kommt immer mehr daraus hervor.)
und auch nicht den Zwischenraum der Speichen des „Rades der Wiedergeburt“, nein:
Ich meinte
Morgenstern, Galgenlieder 54. Na gut.
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stilz: Das
„Requiem“, ich hatte es grad’ nicht greifbar, beginnt mit den Worten: „Was hab ich mir für Namen eingeprägt“.
Nun.
Wenn ich dann einmal verstanden worden sein werde, dann streite ich gerne gegen Einwände.
Vorher kann ich nur vielem zustimmen, empfinde aber das Vorgebrachte als nicht das treffend, was ich meine.
Und @
stilz, wenn Deine Bemerkung: „Es widerstrebt mir, Rilke für eine Weltanschauung zu vereinnahmen, zu der er sich, wie wir wissen, ablehnend verhielt, oder zumindest in reservierter Distanz stand.“, Dein: „Es widerstrebt mir“ heißen soll: „Ich,
stilz, widerstrebe der Versuchung, Rilke für eine Ideologie zu vereinnahmen, im Grunde gleich welcher Art“, dann bin ich dabei: Das widerstrebt auch mir,
lilaloufan. Versuche solcher Vereinnahmung habe ich übrigens bislang nur bei zwei Gruppen von Rilke-Literatur gefunden: bei den positivistischen: „
Rilke war Symbolist“ und bei den sogenannt „psychoanalytischen“: „
Rilke war durch Lou ein Anhänger Freuds und durch dessen Lehre beeinflusst“, wobei ich allerdings hinzufügen muss, dass ich das psychoanalytische Exkrement
(pardon helle, aber wenn ich hier deutsch schreiben soll, bringe ich die Moderatoren in Verlegenheit) von der ersten Seite an nur mit großem Abscheu lesen kann und meist übers angewiderte Blättern nicht hinauskomme. Wie war ich Siegfried Unseld dankbar, dass er auf die sensiblen Detailaufnahmen psychoanalytischer Autoren eingehen konnte, deren kuriose und nicht einmal diskussionswürdigen Folgerungen auf Rilkes innere Impulse aber einfach großmütig und überlegen unerwähnt ließ. Rilke für eine Weltanschauung vereinnahmen, nein, das habe ich auch hier im Forum nie gefunden, wenn man mal von ”
Hans Dunkelberg” absieht, dessen Beiträge im „alten“ Forum ja alle gelöscht sind, so dass ich mich nur
dunkel an einige besonders unqualifizierte erinnere.
Und besonders anthroposophische Autoren, genannt seien Alfred Schütze, Rudolf Eppelsheimer, Martina Maria Sam, Peter Selg, Ute Hallaschka und
lilaloufan, gelten mir als von dem Verdacht, Rilke zu „vereinnahmen“ zu versuchen, absolut frei, blank frei, wirklich. Das wird man den Genannten nicht vorwerfen können.
Wenn Du also mit Deinem Wort vom Widerstreben meinen solltest: „Mir widerstrebt es, dass Du,
lilaloufan, Rilke für [D]eine Weltanschauung vereinnahmst“, dann trifft das den Falschen und ärgert mich trotzdem.
Aber natürlich blickt man auf die Welt mit den Augen seiner Anschauungsart, und ich als ein Anthroposoph kann mich nur darum bemühen, diese Anschauungsart
nicht einseitig sein zu lassen, sondern der Natur des Angeschauten entsprechen zu lassen: das wäre im besten Sinne „anthroposophisch“ und dürfte niemanden irritieren oder aufregen. Sollte mir das nicht gelungen sein,
meine Anschauungsart der Natur der Spanischen Trilogie entsprechen zu lassen? Das will ich gerne noch einmal prüfen und will, um mich VERSTÄNDLICH zu machen (damit mein Vorgebrachtes trefflich und also treffbar ist durch Kritik) einen anderen Weg suchen als den der „komplizierten“ Gedanken – ich will versuchen, das was ich meine, als eine
Geschichte zu erzählen. Auch in Auseinandersetzungen, die ich als Konfliktmoderator begleite, versuche ich ja, Menschen, die einander kaum noch zuhören können, da sie die Argumente und Widerreden aneinander längst zu kennen glauben und in Schubladen wie: „
Deine ewigen öden Prinzipien!“ einordnen zu können glauben, dazu zu bewegen, dass sie sich auf eine „Geschichte“ einlassen, neben der natürlich auch eine andere „Geschichte“ bestehen kann.
Dafür werde ich Zeit brauchen, da ich heute und morgen nicht einmal dazu komme, alle E-mails zu beantworten, die derzeit hereinpurzeln wie Schnee in die Rasenfurche.
Nur zwei Bemerkungen noch:
1.) Himmel, das scheint mir an dieser Stelle einerseits tatsächlich ”
sky” zu sein, und andererseits fallen eben gerade bei Rilke C
AELUM und C
OELA ja oft
in eines zusammen. Aber, damit wir das gut unterscheiden können, habe ich mal im Grimmschen nachgeschlagen und das Folgende gefunden (die Beispielflut mal ausgelassen):
- goth. himins, altnord. himinn, alts. himil, fries. himul, niederl. hemel, schwed. dän. himmel; ahd. himil, mhd. himel. Diesem Worte gegenüber, das goth. und altnord. nur im ableitenden Suffixe von den andern genannten Dialecten verschieden ist, steht, im Altsächsischen beginnend, im Angelsächsischen und Englischen, auch in einigen heutigen niederdeutschen Mundarten allein gebräuchlich ein anderes wurzelhaft nicht verwandtes, alts. hean, niederd. heben, ags. heofon, engl. heaven; auch im altnord. begegnet ein seltenes hifinn. Wie dies auf die Wurzel hab heben, halten zurückführt, und den Himmel als Umschließer, Halter der Erde bezeichnet, so ist nach der von Grimm gegebenen, wohlberechtigten Etymologie Himmel von der Wurzel ham decken ausgehend und hat die eigentliche Bedeutung einer Decke oder eines Daches der Erde. Daneben hat sich auch eine übertragene gebildet. — Die durch ganz Schwaben gewöhnliche Aussprache hemmel scheint auch einmal durch.
I. Himmel im eigentlichen Sinne.
1) die jüdische Vorstellung von mehreren Himmeln, mit der sich die griechische von den Himmelssphären berührt, lebt im deutschen Mittelalter und auch noch später in ausgedehnter Weise. Naturgeschichtliche Werke und nach ihnen andere berichten von zehn über einander liegenden Himmeln, von denen der oberste, der Feuerhimmel, die eigentliche Wohnung Gottes sei; nach dem zweiten, dem cristallischen Himmel, und dem dritten, dem festen Himmel, werden noch die sieben Himmel der Planeten angenommen. In gemeiner Rede wird bald von drei, bald von sieben, bald von neun Himmeln gesagt. Von drei, indem man die sieben Planetenhimmel unberücksichtigt lässt; und namentlich im Falle der höchsten Seligkeit ist man im dritten Himmel, in Gottes Sitze. Oder von sieben Himmeln, indem man nur die Planetenhimmel zählt. Und ihr letzter ist Gottes Wohnung, namentlich in dem volksmäßigen Ausrufe: Herr Gott im siebenten Himmel!; endlich auch, anlehnend an die neun altgriechischen Himmelssphären von neun himmeln. Oft auch die bloße Mehrzahl „die Himmel“, nach biblischem Sprachgebrauche.
2) unter Himmel ist verstanden das gesamte Himmelsgewölbe, das die Erde einschließt und an dem die Gestirne sich befinden:
In diesem Sinne ist Himmel namentlich der Erde entgegengesetzt (vgl. Matth. 11, 25).
Sprichwörtlich bietet man Himmel und erde auf, alles.
Um die Ausdehnung der Erde, die Gesamtheit ihrer Bewohner zu zeichnen, heißt es „alles unter dem Himmel“, „so weit der Himmel blau ist“.
An diese Weite des Himmelsgewölbes knüpft Himmel als erster Theil von Compositen in verstärkendem Sinne an (vgl. himmelangst, himmellang). Rechtsformel, um die Unbeschränktheit einer Herrschaft auszudrücken.
3) In vielen andern Fällen aber wird unter Himmel nur der Theil des Himmelsgewölbes gemeint, der einem Sprechenden sichtbar ist oder der einen bestimmten Landstrich bedeckt. Der zu äußerst sichtbare Rand ist der Saum des Himmels.
und der Himmel selbst wird nicht nur einem Gewölbe, sondern auch einem Zelte, einem Bogen verglichen.
Himmel steht im Gegensatz zur Behausung, zu Dach und Fach. In der Formel „unter freiem Himmel.
„Himmel offen“ heißt es, wenn die Belagerer sich gegen einen Festungsgraben nähern, ohne von oben gegen Granaten und Steinwürfe sich zu decken. Bei Andeutung von Wettererscheinungen heißt es: der blaue, heitere, helle, klare, reine, glänzende, strahlende, unbewölkte, wolkige, finstere, schwarze Himmel; ein grauer, bleierner Himmel; und mit einer gewissen Personification, der Himmel lacht, grollt, zürnt (bei Gewitter).
Bei Bestimmung von Tages- und Nachtzeiten heller Himmel, dunkelnder Himmel, grauender Himmel bei Morgendämmerung.
Stimmung des Herzens und Farbe des Himmels werden zu einander in Bezug gesetzt.
Der blaue Himmel wird zu einem scherze benutzt; in demselben Sinne noch zahlreiche andere Fügungen.
Der Bibelsprache gehört an das Aufthun des Himmels bei Regen, das Schließen des Himmels bei Dürre.
Die Vögel werden gern unter dem Himmel fliegend gedacht.
Gen Himmel, zum Himmel bezeichnet nach oben, wobei es sich gewöhnlich, nicht immer, um einen unbedeckten Raum handelt; so lodert ein Brand gen Himmel.
Ein Gehängter schwebt zwischen Himmel und Erde: hat sich … zwischen Himmel und Erden befestigen lassen.
4) Anknüpfend an die Bedeutung 3 wird nach dem Himmel die Gegend, das Land bestimmt, namentlich soweit das Wetter, Hitze und Kälte, und alles was unter deren Einflusse steht, hervorgehoben werden soll: die Betrachtung von dem Einflusse des Himmels in die Kunst … durch den Einfluss des Himmels bedeuten wir die Wirkung der verschiedenen Lage der Länder, und der besondern Witterung und Nahrung in denselben, in die Bildung der Einwohner, wie nicht weniger in ihre Art zu denken.
5) viele Sprichwörter und Redensarten, in denen Himmel in den Bedeutungen 2-5 begegnet.
6) alle Religionen denken sich den Himmel als Sitz der Götter oder Gottes. Er ist ihnen theils eine feste, und in Erinnerung an die beabsichtigte Erstürmung des Himmels seitens der Titanen heißt es von einem, der ungeheures sich vornimmt: Er will den Himmel stürmen.
Unsere bezüglichen Vorstellungen fußen auf orientalischem Grunde.
- a) der Himmel als Wohnung und Aufenthalt Gottes, Christi und seiner Mutter, der Dreieinigkeit, der Engel
b) der Himmel der Aufenthaltsort der Heiligen und der Seligen, die Wohnung der reinen Seelen nach dem Tode.
In der Wohnung der Seligen ist unterschieden der Vorhimmel, Wartehimmel, Väterhimmel, der Aufenthalt der durch Christum nicht erlösten Vorväter
c) der Himmel als Ort der Seligen ist in Gegensatz gebracht zur Hölle, als Ort der Verdammten.
- 7) Himmel für die im Himmel wohnende Gottheit: namentlich eigens auch für Gott, dessen Namen oft zu nennen man sich scheut: im Ausruf
Himmel in bildlichem Gebrauche
a) anlehnend an die Bedeutung 3
b) an dieselbe Bedeutung gelehnt, aber so daß die № 6, b einspielt
c) am häufigsten nach 6, b, Himmel als dem Aufenthaltsort der Seligen, als Stätte und Zustand des höchsten Glückes
II. Himmel in übertragener Bedeutung
1) der Thronhimmel, Baldachin, Tragehimmel
2) die gewölbte Decke einer Kirche, namentlich des Altarhauses
3) Himmel, die Decke einer Bühne
4) Himmel, die Oberdecke eines von Vorhängen umgebenen Bettes:
Auch über einem Tische kann in der Höhe eine solche Decke angebracht sein.
5) Himmel, Kutschenhimmel, die Decke eines Kutschkastens
6) Himmel, gewisse Netze, welche spiegelicht gestrickt sind, und nicht zum Fangen, sondern lediglich zum Abhalten gebraucht werden, wie z. b. beim großen Lerchenfange
7) Himmel, bergmännisch, die obere Begrenzungsfläche (firste) eines Sinkwerks
Himmel, allgemein etwas gewölbt Emporragendes
9) Himmel nennt der Maler den Theil eines Gemäldes, der den Himmel vorstellen soll, die Luft.
10) Himmel, schweizerisch, die hohle Decke oder Haut auf der Oberfläche flüssiger Körper, zunächst vom Weine in einem Fasse, oder von der Milch, wenn dieselbe längere Zeit gestanden hat.
2.) Dass ich in
diesem Gesprächsfaden
überhaupt beteiligt bin, verdanke ich einer Jahre alten Bemerkung von
Antoninus Rainer in einem Posting, auf das
sedna aufmerksam gemacht hat. Dieses Mitglied (Mitleser hier?) schrieb:
Der „Herr“ [des Herbstes] ist … bei Rilke kein Schöpfergott; er ist der Erhalter, der Gestalter, der Gewährer des Überganges, der Fähigkeit, sich zu Gott, zu Natur, zu Menschen zu verhalten.
Erhalter, Gestalter, Gewährer des Überganges, der Fähigkeit, sich zu Gott, zu Natur, zu Menschen zu verhalten! — Als ich das las, dachte ich: Nun will ich doch mal nachlesen, was
vivic meinen könnte mit: zusammenfassen, „was Dichten fuer Rilke eigentlich war“. Ich dachte: Wenn
Antoninus Rainer Recht hat, und zwar nicht nur in Bezug auf „Herbsttag“, sondern allgemein, dann sollte ein solches Gottesverständnis doch auch Auswirkung haben auf die dichterische Intention. Et voilà, dann hab’ ich (danke
stilz!) das ganze Gedicht gelesen im zweiten Posting hier – und fand meine Vermutung (wie gesagt, vorausgesetzt man kann
Antoninus Rainer mitgehen) bestätigt.
Also gut, ich hab’ das rasch dahingetippt und hab’ nun leider keine Zeit heute mehr.
Grüße in die (lesend und/oder schreibend) staunende Runde
lilaloufan