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Die Znamenskaja

Verfasst: 21. Feb 2012, 20:59
von anyushka
Da habe ich doch gleich noch ein Gedicht gefunden, das leider nicht in meiner Werkausgabe zu finden ist! Da ich im Moment ueber Rilkes Interesse an der russischen Ikonographie schreibe, waere es wichtig, dass ich den Volltext dieses Gedichts zitieren koennte, den ich online nicht gefunden habe (bzw. nur in einer englischen Uebersetzung).

Im Rilke Handbuch wird auf Saemtliche Werke, Bd. III, S. 356 (hrsg. v. Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke) verwiesen, zu dem ich gerade leider keinen Zugang habe.

Koennte mir jemand den Gefallen tun und das Gedicht hier zitieren? Ich waere sehr, sehr dankbar dafuer...

Mit lieben Gruessen,
Anyushka

Re: Die Znamenskaja

Verfasst: 21. Feb 2012, 22:10
von lilaloufan
  • Die Znamenskaja (Der Madonnenmaler)

    So als führte ich ein blondes Kind,
    will ich meine goldne Linie führen
    um dein Antlitz, wie um Flügeltüren,
    hinter welchen hundert Ampeln sind.

    Und dann wandern wir noch um dein Kleid,
    folgen furchtsam seinen runden Falten
    und den Händen, welche wie Gestalten
    dir zuseiten sich erhoben halten;
    und der Weg um dich wird weit.

    Bilden wir dich noch so klein
    in dem dunkelnden Ikone,
    wenn wir bitten: Komm und wohne, -
    geht der Pinsel endesohne,
    und der Weg um deine Krone
    bringt ihn schon ans Mutlossein.

    Glaube nicht, ich will dich grenzen
    mit der schwachen, scheuen Spur,
    deine großen Gnaden glänzen
    über jegliche Kontur.

    Glaube nicht, ich will dich halten
    in dem Rand des Mantelbaus,
    deine sanften Wunder walten
    nicht allein in meinem Haus.

    Du bist weithin ausgebreitet
    über allem. Du bist groß.
    Und die rote Sonne gleitet
    jeden Morgen dir vom Schoß.

    Aber, o verzeih, wir glauben:
    du kannst klein sein wie die Tauben,
    weiß und sanft und zahm wie sie.
    Und dann kommst du irgendwie
    in die Bilder, wie in Lauben,

    und wir finden dich darin;
    finden dich wie eingeschlafen
    und wir knien (mögst du uns strafen)
    und wir küssen dir das Kinn.

Niederschrift am 8. August 1899 in dem Gartenhäuschen Frieda von Bülows auf dem Bibersberg bei Meiningen während Rilkes sechswöchigen Aufenthalts mit Lou Andreas-Salomé.

(googlebooked bei: Reshetylo-Rothe, Daria A.: „Rilke and Russia: A Re-evaluation“; P. Lang, 1990. Das erwähnt Dasha auf seiner Site.)

Denk' auch an das VI. Gedicht von: „Die Zaren” aus dem „Buch der Bilder“.

l.

Re: Die Znamenskaja

Verfasst: 2. Mär 2012, 20:41
von anyushka
Vielen Dank! Das ist mir eine grosse Hilfe :)!
Die "Zaren"-Gedichte hatte ich entdeckt.
Tut mir leid, dass ich nicht schneller reagiert habe, in meinem Mailkonto gehen im Moment Emails verloren :roll: und ich wusste gar nicht, dass ich so schnell eine Antwort bekommen hatte...
Merci!
Anyushka