Herbst

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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LaVey
Beiträge: 1
Registriert: 21. Jan 2004, 14:56

Herbst

Beitrag von LaVey »

Hallo, ich beschäftige mich zur Zeit mit Herbst von Rilke, passt irgendwie zu der Zeit und meinen Gefühlen. Aber ich hab ein paar Fragen, da ich mich mit Rilke bis jetzt noch nie näher beschäftigt habe, leider. In den letzten beiden Versen, will Rilke damit sagen, dass dieser "Eine" (z.B. Gott) ein Sadist ist, weil er unsere Qualen verlängert, quasi kontrolliert und zusieht, oder soll das Hoffnung geben (Glaubte er an Gott?)? Und in Vers 4 schreibt er, "in den Nächten fällt die schwere Erde", wieso nur in den Nächten? Bis jetzt hab ich gedacht, dass er damit meint, die Welt geht allmählich unter, aber dazu passt "in den Nächten" für mich nicht. Ein weiteres Fragezeichen ist für mich "Diese Hand da fällt." (Vers 6) meinte er damit seine Schreibhand, als er das Gedicht gerade geschrieben hat? Und das 4. Mysterium für mich in dem Gedicht ist "mit verneinender Gebärde" (Vers 3), kann mir bitte jemand helfen und mir diesen Ausdruck erklären? Danke für jede Antwort.

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andere an; es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Magdalena
Beiträge: 3
Registriert: 15. Jan 2004, 16:09

Beitrag von Magdalena »

Hallo LaVey!
Dieses Gedicht ist auch eines, das mir besonders gut gefällt, mit dem ich viel verbinde.
Ich kann keine hochanalytischen dinge schreiben, dafür habe ich mich auch zu wenig mit Rilke beschäftigt. Ich schreibe einfach, was mir zu deinen Fragen einfällt.

Für mich klingt der letzte Vers sehr tröstend, nämlich, dass das Fallen immer aufgefangen wird und einfach zum "plan" dazugehört, dass wir im letzten immer aufgegangen werden und uns somit "fallen lassen" können, auch im übertragenen Sinn. Ich weiß nicht konkret, ob rilke an gott glaubte, aber ich vermute, dass ihn dieses "Thema" sehr beschäftigte, es kommt immer wieder in seinen Gedichten vor. Ich glaube, wenn er geglaubt hat, dann hatte er ein weiteres und offeneres Gottesbild als das des Christentums (zb glaubte er an die Wiedergeburt).

"In den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die EInsamkeit " war für mich immer ein Stimmungsbild, das auch die Einsamkeit, die eine besonders die Nacht mitsich bringen kann, einschließt. Vielleicht habe ich deshalb nie so etwas wie den Weltuntergang assoziiert, weil dieses Fallen in diesem Gedicht fast wie ein Naturgesetz, also etwas natüliches ist, das eh aufgefangen wird. (Es ist für uns vielleicht schlimm, das Fallen, doch die Hände...)

Diese Hand da fällt.... gute Idee, die Schreibhand!! (Ich dachte nur, dass die hand einfach ein Beispiel ist für das, was alles fällt)
Ich weiß nicht, ob man überhaupt feststellen kann, was er genau damit meinte, ich glaube viel liegt einfach an dem, was wir assoziieren und was wir, also jeder für sich selbst, daraus herausliest.

Die "verneinende Gebärde" ist für mich das hin und hersegeln der Blätter in der Luft, das irgendwie dem verneinenden Kopfschütteln der Menschen gleicht. Vielleicht wollen sie noch nicht fallen, und sagen deshalb: Nein!

Ja, das sind meine Gedanken.
Ich hoffe, du findest etwas Brauchbares darin!!
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm, oder ein großer Gesang.
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