Ja - nun wird es klarer.
DIE VOR UNS UND - WIR ... diesem Gedicht bin ich hier im Forum schon früher begegnet. In meinem Rilke-Band finde ich es leider nicht.
Ich nehme an, es ist ein "früher" Rilke? Du, Mona, sprichst ja auch vom "Ausgangspunkt"...
Die Schilderung dessen, was "DIE VOR UNS" liebten, bringt mich zum Schmunzeln - die
"schaurigen Schluchten", die
"bangen Buchten" lassen in mir ein ähnliches Gefühl entstehen wie das "bang und beklommen" des Schubert-Liedes
"Alinde" (Text: Johann Friedrich Rochlitz, 1769-1842; ich habe eine Aufnahme mit Heinrich Schlusnus, der es mit einer Hingabe singt, die man heute für einen solchen Text nicht mehr zu hören gewohnt ist
- ja, nicht nur bei Dichtern, sondern auch bei Sängern kann man diesen Unterschied zwischen denen "VOR UNS" und denen zu Rilkes Zeit bzw kurz danach - und schließlich uns Heutigen - bemerken).
Aber auch das andere, das,
"was wir wollen", kann ich nicht ohne ein leises Lächeln lesen:
"lichte Wege erkiesen", "einer Blonden vertrauen"... und ich frage mich, ob auch
Rilke ein Lächeln auf den Lippen hatte, als er dieses Gedicht schrieb. Ob er zunächst "DIE VOR UNS" und danach auch sich selber und seine eigenen Sehnsüchte liebevoll ein wenig "auf die Schaufel nahm", wie wir in Wien sagen...
Und in mir entsteht auch noch die Frage, wie wohl Jahre später eine "dritte Strophe" zu diesem Gedicht ausgesehen hätte.
Ich denke beispielsweise an das Gedicht
"Im Saal" aus dem Jahr 1907. Auch da geht es um Menschen "VOR UNS", allerdings von ganz anderer Art als die, die
"das stöhnende Sterben der tollen/Wogen" liebten.
Und da heißt es zum Schluß:
- ... Sie wollten blühn,
und blühn ist schön sein; doch wir wollen reifen,
und das heißt dunkel sein und sich bemühn.
Dieses "
dunkel sein und sich bemühn" , um zu reifen - das scheint mir noch etwas ganz anderes zu sein als
"in wartenden Wiesen/wie in der Heimat sein."
Wie schön, nicht an seinem "Ausgangspunkt" stehenzubleiben...
"Grenzgang" ist für mich auch das:
"... immer weiter gehn" und nicht auf einem einmal bezogenen Standpunkt verharren...
Lieben Gruß
stilz