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Dreiheber?

Verfasst: 21. Feb 2008, 16:42
von DoMi
Hallo liebe Forumsteilnehmer...

Gibt es von Rilke eigentlich schöne, gute dreihebige Verse??

Liebe Grüße,

:Dominik

Re: Dreiheber?

Verfasst: 22. Feb 2008, 20:31
von stilz
Lieber Dominik,

heut bin ich zufällig auf dieses Gedicht gestoßen, da ist mir Deine Frage wieder eingefallen:

Götter schreiten vielleicht ----- immer im gleichen Gewähren,
----- wo unser Himmel beginnt;
wie in Gedanken erreicht
----- unsere schweren Ähren,
----- sanft sie wendend, ihr Wind.
Wer sie zu fühlen vergaß,
----- leistet nicht ganz die Verzichtung:
----- dennoch haben sie teil.
Schweigsam, einfach und heil
----- legt sich an seine Errichtung
----- plötzlich ihr anderes Maß.

Allerdings ist das kein "reiner" Dreiheber. Denn es sind immer wieder zwei dreihebige Teile zu einer Gesamtzeile zusammengefaßt. Dennoch sind in meiner gedruckten Ausgabe die dreihebigen Halbzeilen sehr klar erkennbar, da es extra Abstände gibt (ich habe diese Abstände hier durch "-----" gekennzeichnet).

Aber auf der nächsten Seite in meinem Rilke-Band, ebenfalls unter den "Gedichten 1922 - 1926" finde ich auch noch:

....
Wie sich die gestern noch stummen
Räume der Erde vertonen;
nun voller Singen und Summen:
Rufen und Antwort will wohnen.

------------------------------ ........

Und, gleich danach:

Wasser berauschen das Land.
Ein atemlos trinkender Frühling
taumelt geblendet ins Grün
und stößt seiner Trunkenheit Atem
aus den Munden der Blust.
[wie schön, auf dieses Wort zu treffen!]

----- Tagsüber üben die Nachtigalln
ihres Fühlens Entzückung
und ihre Übermacht
über den nüchternen Stern.



Wir sollen nicht wissen, warum
dieses und jenes uns meistert;
wirkliches Leben ist stumm,
nur, daß es uns begeistert.

macht uns mit ihm vertraut


Und ein paar Seiten davor:

----- Keiner erfaßt es. Wo singt
rühmend ein Mund?
Alles vertaucht und ertrinkt,
drängt sich am Grund.

Drüberhin treibt uns der Schwung,
wie das Gefäll ihn leiht...
Nichtmal zur Spiegelung
bleibt uns Zeit.



Diese Form gibt es auch in den "Sonetten an Orpheus":

XVII
Zu unterst der Alte, verworrn
all der Erbauten
...

oder

XVIII
Hörst du das Neue, Herr,
dröhnen und beben
...

In beiden Gedichten wechseln drei- und zweihebige Zeilen einander ab.


Ganz spontan fiel mir gestern übrigens dieses Gedicht, das ich sehr liebe, als erstes ein:

Taube, die draußen blieb, ----- außer dem Taubenschlag,
wieder in Kreis und Haus,
----- einig der Nacht, dem Tag,
weiß sie die Heimlichkeit,
----- wenn sich der Einbezug
fremdester Schrecken schmiegt
----- in den gefühlten Flug.
...


Ich lese auch dieses Gedicht jeweils "dreihebig" (bin aber nicht sicher, ob es andere nicht vielleicht durchwegs als Daktylen empfinden, dann wär's "zweihebig"...)

Lieben Gruß!

stilz