Papageien-Park

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Sabrina_19

Papageien-Park

Beitrag von Sabrina_19 »

Hat vielleicht jemand Infos zu dem Gedicht Papageien-Park? Hab nämlich meine Schwierigkeiten damit und wär froh wenn mir jemand weiterhelfen könnte. Danke
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Volker
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Papageien-Park

Beitrag von Volker »

Was denn für Schwierigkeiten?
Verständnisschwierigkeiten kann es doch eigentlich nicht geben, denn es handelt sich um ein Gedicht, in dem Rilke Papageien beschreibt, die er in Paris im Jardin des Plantes angeschaut hat.
Ebenso wie das berühmte Karussel und den Panther.
Du brauchst nur alles genau zu lesen und alles so verstehen, wie es beschrieben ist.
Oder meintest du andere Schwierigkeiten?
V.
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Hallo Volker, schön, dass du wieder an Land bist. Gestatte, dass ich dir widerspreche: Die beiden letzten Verse sind nicht einfach. Und da es bekanntermaßen bei einem Sonnett gerade auf die ankommt, sollten wir sie mal näher ansehen. Vorsichtshalber erkläre ich, dass "lögen" der Konjunktiv von "lügen" ist - das ist heute nicht mehr allgemein bekannt. Also warum möchten sie gerne lügen, tun es aber nicht? Und was sollen die erwarteten Zeugen denn bezeugen? In einer Gruppe haben wir mal folgende Interpretation erarbeitet: Vornehm und ein wenig eingebildet, wie sie hier erscheinen, möchten sie Heimweh und Gefangenschaft überspielen, möchten, in heutiger Sprache ausgedrückt, cool wirken, aber es gelingt ihnen nicht ganz, sie "spielen" ja doch unwillkürlich an den "Fußfesselringen", die das Merkmal der Gefangenschaft sind. Und die Zeugen sollen ebendas bezeugen: dass sie hier in der Fremde gefangen sind.
Übrigens ist das eines meiner liebsten Rilke-Gedichte. Allein schon die Melodie des ersten Verses finde ich hinreißend. Die vielen üs und äs, die Alliterationen (Jaspis/Jade, finden/fade), die Binnenreime (kauen/ Graues, klauben/Tauben), das ist Musik!
Liebe Grüße gliwi
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Volker
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Papageien-Park

Beitrag von Volker »

Ich bin allhier nur kurze Zeit
und komme mit Ergebenheit
....
Hallo gliwi,
Dem Widerspruch wird stattgegben.
Stimmt, das mit dem Lügen und den Zeugen ist erklärungsbedürftig.
Deine Interpretation gefällt mir. So könnte es gemeint sein.

Beim Lesen des Gedichts sehe ich unwillkürlich Liebermanns "Papageienallee" vor mir:
http://www.postershop.ch/Liebermann-Max ... 01621.html
In Bremen hatte vor Jahren einmal eine Frau ein "Papageienhaus" unterhalten.
Es stand in Vegesack am Weserufer und hatte die schönsten Papageien, die man sich vorstellen kann. Sie haben wirklich "dunkle Zungen". Da habe ich auch zum ersten Mal einen Papagei sprechen gehört: er konnte "Wilhelm steh auf!" und "Hallo mein Schatz" sagen und es klang wirklich so täuschend echt, daß ich mich umdrehte um zu schauen, wer das gerade gesagt hatte. - Daran mußte ich denken, als ich hier bei Rilke von den "Zungen, die gerne lögen" las. Mir kam in den Sinn, daß damit gemeint sein könnte, daß die Papageien vielleicht gern wirklich "sprechen" (und also auch lügen) können möchten. In Wahrheit können sie ja nicht sprechen, sondern ahmen nur menschliche Laute nach. - Und ja, auf mich wirken sie auch irgendwie "überheblich" - als täten sie so vornehm und so klug, als besäßen sie wirklich ein Geheimnis, von dem wir keine Ahnung haben. - Und die Zeugen? Da dachte ich, vielleicht warten sie (die Papageien) auf "Zeugen", die von ihrer schönen Heimat zeugen können.
Ich hab' auch Verstand.©
gez. Volker
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Es gibt auch ein Foto vom Pariser Papageienpark der Jahrhundertwende, allerdings aus dem Jardin d'Acclimatation, den Rilke auch gut kannte. Einige Details aus dem Gedicht sind da zu sehen, aber damit ist noch nichts interpretiert.
http://www.gamlavykort.nu/pp/showquesti ... ldAuto=149

Wer mag, kann sich's ansehen.
e.u.
Iris

die Ashanti

Beitrag von Iris »

Hallo,

ich versuche gerade den "Papageien-Park" mit dem Gedicht "Die Ashanti" zu vergleichen - vor allem darin, wie die Fernen Länder beschrieben, rezipiert werden... Vermutlich steht darin auch Rilkes Vergleich wieder von Mensch und Tier ? Was meint Ihr ?

Liebe Grüße von Iris :lol:
Iris

Beitrag von Iris »

Hallo ,

sorry: es sollte natürlich "Die Aschanti" heissen ! Für diejenigen, die davon noch nichts gehört haben: es steht hier auch bei den Gedichten .

Ich würde mich wirklich sehr über Antworten freuen !

Liebe Grüße von Iris :lol:
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Also dazu müsste ich jetzt wissen, ob die Aschanti in Paris genauso "ausgestellt" waren wie der Panther u.a., ob man sie in Zusammenhang miteinander setzen kann. Hallo kenntnisreicher e.u.! Wie ist das?
Gruß
gliwi
Gina

Peter Altenberg

Beitrag von Gina »

Hallo,

ich suche genauere Informationen über Peter Altenberg , der die Aschanti gezeichnet hat, die in Europa unterwegs waren Anfang 1900 . Gibt es seine Zeichnungen - oder andere Informationen über ihn - auch online ?

Sorry, aber ich brauche das für einen Vortrag und habe kaum Zeit selbst zu recherchieren . Würde mich sehr über Hinweise freuen !

Freundliche Grüße von Gina :lol:
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Anna B.
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Beitrag von Anna B. »

Hallo Gina,

da kann es sich nur um ein Missverständnis handeln, ebenso wie im "Buch der Bilder" von R.M. Rilke keine Bilder zu finden sind, handelt es sich bei Peter Altenbergs Werk um Prosa-Skizzen, also um kleinere literarische Texte . Dazu gehört auch sein Werk "Ashantee" . Ende des 19. Jahrhunderts hielten sich Ashanti in Wien in einem - extra dafür eingerichteten - Dorf auf, um ihre Kultur zu zeigen/ vorzuführen... Du findest einige Texte und die Biographie von Peter Altenberg natürlich auch im Internet.

Viel Erfolg bei Deinem Vortrag wünscht Dir,
Anna :lol:
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo gliwi,
banale Daten lassen sich oft leicht ermitteln. Im Zeitraum von zweiter Maiwoche bis etwa Mitte Juni 1903 war tatsächlich eine Gruppe von 'Achantis' im Jardin d'Acclimatation anwesend, hat dort eine Art Dorf gebaut und so allerlei Folklore vorgeführt. Die Zeitungen (z.B. Le Figaro) haben darüber ausführlich berichtet. Wenn man Rilkes Anwesenheit in Paris zu dieser Zeit berücksichtigt, könnte er die Truppe in den letzten Tagen des Gastspiels gesehen haben. Wenn man will, lässt sich damit schon ein Datum umreißen, nach dem das Gedicht entstanden sein kann. Die bisherigen Ausgaben sind da nicht sehr ergiebig.
Vermutlich kannte er Altenbergs Buch, aber wohl kaum den Aufrtritt der Ashantees in Wien.
Aber wie gesagt, damit ist noch nichts interpretiert.
Beste Grüße (komme gerade aus dem Urlaub) e.u.
Paula
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Beitrag von Paula »

Grüß Dich, e.u., hallo Alle,

wenn auch nicht von Peter Altenberg - weiss zufällig jemand hier, ob es Bilder oder Fotos von den Aschanti in Europa und ihren Dörfern gibt und wo man diese finden kann ?

Danke für Hinweise,

Paula :lol:
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo,
Fotos im Netzt kann ich zur Zeit nicht finden, aber in der bnf gibt es welche über die Aschantis aus dem 19.Jahrhundert.
Doch über die Ausstellung im Jardin d'acclimatation gibt es einen anschaulichen Bericht mit Illustrationen in der Zeitschrift 'La Nature' (1903). Das passt ziemlich gut mit Rilkes Gedicht zusammen. Hier der Link:
http://cnum.cnam.fr/CGI/fpage.cgi?4KY28 ... 00/536/0/0
Ich hoffe, die Site ist noch da.
Viel Erfolg wünscht e.u.
e.u.
Beiträge: 320
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Beitrag von e.u. »

Nachtrag:
Ich habe vergessen, die Seiten anzugeben. Also: S.71-74.
Entschuldigung, das ging zu schnell!
e.u.
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Danke, e.u! Ich kriege zwar keine Verbindung, aber ich wollte es ja nur wissen, ob es so war.
Also mir kommt das Gedicht so vor, als wäre Rilke enttäuscht über den Anblick dieser Aschanti, die keinen exotischen Reiz ausüben, sondern sich in die Pariser Umgebung einpassen. "...ein wunderliches Sich-Verstehen mit der hellen Menschen Eitelkeit." Er hätte sich wohl gewünscht, dass sie sich benehmen, als wären sie bei sich zu Hause - und da hat er ganz bestimmte Vorstellungen, wie sie sich dort benehmen. Er hält ihnen vor, dass die Tiere sich nicht auf diese Weise anpassen, sie bleiben "ohne Eintracht mit dem Treiben neuer fremder Dinge...". Naja. Ist er da nicht etwas zu anspruchsvoll?
"Ein bisschen mehr Exotik bitte, liebe Aschantis!" Herr Rilke, hier enttäuschen Sie mich.
Gruß
gliwi
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