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Text über Rilkes Mutter Phia

Verfasst: 8. Okt 2007, 07:47
von adi
Hallo,
ich suche folgende Textstelle:
Lou Andreas-Salomé schlägt Rilke vor, er solle seine Mutter Phia doch einfach wie einen Bazillus betrachten. Ein Bazillus könne ja auch Positives bewirken.
Gruß
adi

Re: Text über Rilkes Mutter Phia

Verfasst: 26. Jan 2011, 20:54
von sedna
Lou Andreas-Salomé an Rilke, Anfang Mai 1904:

Jedenfalls machte es einmal auf mich den tiefsten Eindruck, als ich las, an bazillen- (keim-) freier Nahrung gingen Hühner zugrunde, und allzu reines Wasser mache magenkrank.
In Bezug auf ganz etwas anderes meine ich, könntest Du vielleicht auch Deine Mutter aus ähnlichem Gesichtswinkel ansehn: selbst wenn sie nichts sein sollte als ein einziger dicker Bazillus in Deiner Lebensspeise oder gar Deiner eigensten Zusammensetzung, ist über ihren Vortheil oder Nachtheil für Dich gar nichts ausgesagt. Bazillen bringen nur in Gährung, was schon in Einem steckt, und was man bei der Gelegenheit (Krankheit) ausscheidet. Manche segensvollste, idealste Mutter ist für ihr Kind steril (keimfreie Nahrung!!). Wir wissen so wenig, daß wir uns von nichts anzufechten lassen brauchen; ein Feigenbaum der bei Dir blüht, und die blauen Veilchenbüschel die bei uns überall aus den bemoosten Ritzen der alten Steinmauer des Gartens drängen, sind immer noch das Thatsächlichste, Wissenswertheste, zu erleben Nothwendige.

(Rainer Maria Rilke - Lou Andreas-Salomé. Briefwechsel. Zürich: Max Niehans Verlag / Wiesbaden: Insel-Verlag, 1952, S. 147-48.)

sedna