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Ihr Mädchen seid wie die Kähne ??
Verfasst: 25. Jan 2007, 20:54
von squeezy1
Hallo..Kann mir jemand behilflich sein bei der interpretation folgenden Gedichtes
hr Mädchen seid wie die Kähne;
an die Ufer der Stunden
seid ihr immer gebunden, -
darum bleibt ihr so bleich;
ohne hinzudenken,
wollt ihr den Winden euch schenken:
euer Traum ist der Teich.
Manchmal nimmt euch der Strandwind
mit bis die Ketten gespannt sind
und dann liebt ihr ihn:
Schwestern, jetzt sind wir Schwäne,
die am Goldgesträhne
die Märchenmuschel ziehn.
Verfasst: 25. Jan 2007, 23:31
von gliwi
Was mich anbetrifft, so gilt, was ich im Thema hier direkt drunter konstatiert habe. Also, squeezy, fang an, dann mache ich mit. Aber du musst schon selbst anfangen.
Gruß
gliwi
Verfasst: 26. Jan 2007, 09:37
von squeezy1
..Hallo..Du hast recht...O.k. ich versuch mal einen Anfang zu machen.
Aber ich habe so etwas nicht studiert.

"Am Ufer der Stunden seid ihr immer gebunden"..darum bleibt ihr so bleich..
Das Problem ist ,ich kenne den Hintergrund der damaligen Zeit nicht..
Es geht hier offensichtlich um eine zeitliche Eingrenzung,aber für was ?
.."darum bleibt ihr so bleich.... Also bekommen sie nicht genug Sonne ab?
Geht es hier um den Hintergrund,wie Mädchen in der damaligen zeit gelebt haben?Dann müsste ich mich darüber sachkundig machen..
Gruss Achim
Verfasst: 26. Jan 2007, 10:49
von gliwi
Hallo Achim,
lass' dich nicht gleich entmutigen.Man muss nicht "studiert" haben, um ein Gedicht zu bearbeiten, und man muss auch nicht perfekt den Zeithintergrund haben. Es ist wichtig, die Lebenszeit des Dichters zu kennen: 1875 - 1927, sonst haut man eventuell schwer daneben, wenn man Aspekte reinbringt, die er noch gar nicht gekannt haben kann. Dieses Gedicht gehört eher zu den frühen, wir schließen also mal kühn: vor dem WK I. Da waren Frauen rechtlich noch sehr eingeschränkt, das weißt du: erst bestimmt der Vater und dann der Ehemann. Kein Studium, kein Wahlrecht, fast keine Berufe möglich usw. Du bist auf der richtigen Spur: du findest in diesem Gedicht eine Reihe von Bildern für diese Situation der Einschränkung, Einengung.Was machen die angesprochenen Mädchen daraus, wie gehen sie damit um? Was bedeutet das Schlussbild? Denk dich mal ein bisschen rein, es fällt dir bestimmt nicht schwer, diese Bilder zu deuten.
Auffällig ist, dass Rilke hier in einigen Versen den in der deutschen Lyrik seltenen Anapäst anwendet. Da könnte man noch drüber nachdenken, wie der zu diesem Inhalt passt. Auch findet der Reim in Vers 1 erst in 11/12 sein Gegenstück. Aber das ist dann die Feinarbeit, wenn der Inhalt geklärt ist.
Viel Glück!
Gruß
gliwi

Verfasst: 26. Jan 2007, 14:58
von squeezy1
..Ah..Danke.Ich komme der Sache ein klein wenig näher!
Euer Traum ist der Teich...
das heisst,wenn die frauen dermaßen eigeengt waren in ihrer Freiheit,
hatten sie auch keine grossen Träume mehr und haben sich mit dem einfachstem begnügt ??(In diesem Fall der teich statt das meer?)
..manchmal nimmt euch der strandwind mit,bis die ketten gespannt sind...
und dann liebt ihr ihn.
das heisst vielleicht...sie geben sich innerhalb ihrer gefangenschaft
mit wenigen kleinen freiheiten zufrieden,die sie vielleicht errungen haben.
aber sobald widerstände der männerwelt auftreten(in diesem fall die kette)
Die Schlussauflösung verstehe ich nicht ganz.
heisst das,dass sie stolz waren,(wie die schwäne),wenn sie kleine freiheiten errungen hatten?
Ich weiss leider nicht was ein Goldgesträhne ist...sind das Haare??(von Strähnen) und die Märchenmuschel..tja vielleicht eine Haarbrosche ??:-)
Schwierig..schwierig..ist mei erstes Rilkegedicht,was ich versuche,näher zu interpretieren
den Panther und die schwarte katze habe ich gleich verstanden
Gruss,Achim
Verfasst: 26. Jan 2007, 19:01
von gliwi
Siehst du, es ist gar nicht so schwer... Ja, Teich statt Meer, richtig. Es gibt jede Menge Gedichte, in denen das Leben mit eier Meerfahrt verglichen wird ... aber die Mädchen sind auf dem Teich, und dann noch am Ufer festgebunden. Aber du musst nicht denken, dass sie sich total als Gefangene fühlen: sie kennen es nicht anders, sie träumen nicht mal vom Meer, sondern nur vom Teich. Jetzt der Schluss: also der Wind treibt sie ein kleines Stück, soweit die Ketten reichen. Das finden sie schön, und jetzt verwandeln sie sich in ihrer Phantasie in Schwäne, also Märchentiere (Das häßliche Entlein, die wilden Schwäne usw.), die jetzt selber etwas ziehen, und zwar nicht an Ketten, sondern an gloldenen Haaren. Gemeinsam, als "Schwestern", bewegen sie die "Märchenmuschel". Es gibt recht große Muscheln, man sieht sie manchmal in Souvenirläden ausgestellt. Was kann eine Muschel alles enthalten? Sie ist jedenfalls geheimnisvoll. Also die Mädchen überwinden die Enge des Teichs in der und mit der Phantasie. Die Perspektive wechselt: bis zum Doppelpunkt spricht das lyrische Ich die Mädchen an, danach sprechen sie selber, sie fassen einen Beschluss.
Gruß
gliwi
Verfasst: 26. Jan 2007, 21:45
von squeezy1
...einfach unglaublich..bin total hingerissen...
Vielen vielen Dank für die Hilfe..
Nur noch eine kleine Frage: Was passiert,wenn der Wind sie ein kleines Stückchen treibt? Heisst das nun,dass sie ein kleines Stückchen Freiheit erleben?
Und wie könnte diese aussehen.Sie kennen doch nur den teich..
Verfasst: 26. Jan 2007, 22:56
von gliwi
Nun, wenn du den Text anschaust, stellst du fest, dass sie den "Strandwind", der sie ein Stückchen fahren lässt, lieben - also gefällt ihnen wohl diese ...ja, wie könnte man es nennen? Bewegung? Vorgeschmack von Freiheit? Illusion? Das ist jetzt etwas, das kannst du als Frage stehenlassen, oder du entscheidest dich für eine Möglichkeit, relativierst das aber, indem du sagst: Mir scheint...,; und nicht: es ist so.
Sie kennen in der Realität nur den Teich, aber sie haben auch Zugang zum Reich der Phantasie, der Märchen. Wie könnte ihre Freiheit aussehen? Wollen sie überhaupt von der Kette weg? Oder sind sie ganz zufrieden mit der Sicherheit, die die Kette ja auch bietet? Auch das könnte man als Schluss-Frage offenlassen.
Es freut mich, dass du einen Zugang zu diesem Gedicht gefunden hast. Dabei haben wir das jetzt gemeinsam erarbeitet, ich hatte vorher keine "fertige" Interpretation im Kopf.
Gruß
gliwi