Seite 1 von 1

Der Pather von Rilke - Frage zur Metrik

Verfasst: 3. Jan 2007, 19:02
von Jabberwocky
Ich arbeite zur Zeit an einem Vortrag über Rilke und in einer meiner Quellen heißt es über den Panther: ""so müd" ist die einzige Stelle an der der Autor vom Metrum abweicht"

Für mich ist hier keine Alterierung von den fünfhebigen Jamber ersichtlich

Vielleicht kann mir jemand von euch weiterhelfen, bitte?

Verfasst: 3. Jan 2007, 19:22
von stilz
Herzlich willkommen, Jabberwocky!

Nun --- Deine Quelle, die bei "so müd" eine metrische Abweichung zu erkennen meint, trifft sich damit, wie ich dieses Gedicht vielleicht rezitieren würde.

so müd geworden...

Ich finde schon, daß man da sowohl "so" als auch "müd" betonen könnte. Dann wär das am ehesten als ein Spondeus zu bezeichnen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Spondeus
Hier ist man zwar der Meinung,
Der Spondeus ist deshalb im Deutschen schwer oder gar nicht nachzubilden, da im Deutschen nicht zwei betonte Silben aufeinanderfolgen können.,
dennoch finde ich, daß es manchmal vorkommen kann.

Vor einiger Zeit haben wir im Forum über das Versmaß im "Herbsttag" diskutiert, auch da kam ich an zwei Stellen auf einen Spondeus, jeweils zu Beginn der ersten und letzten Zeile. Im "Herbsttag" erscheint mir das allerdings viel zwingender als im "Panther".

Da auch bei durchgängig alternierendem Versmaß dem Rezitator wohl einige Freiheit in der Betonung zugestanden werden muß, bin ich nicht sicher, ob es angebracht ist, die Stelle "so müd" wirklich als Ausnahme herauszuheben.

Lieben Gruß!

stilz

Verfasst: 3. Jan 2007, 19:28
von Jabberwocky
zunächst: vielen dank für das freundlich hallo und halo zurück!

mit diesem Gedanken hatte ich auch schon gespielt (ein Spondeus) war mir aber meiner Sache nicht sicher
es würde auch durchaus mit dem Inhalt decken da es ja um einen ermüdeten Blick geht - sozusagen versinnbildlicht durch eine ermüdetere, "langsamere" Metrik

hm...könnte natürlich sein. vielen dank für die antwort!

Verfasst: 3. Jan 2007, 19:40
von stilz
Das finde ich sehr schön und wichtig, daß Du auch den inhaltlichen Bezug der Spondeus-Möglichkeit siehst.
Ich finde, ohne inhaltliche Begründung hat es überhaupt keinen Sinn, nach Abweichungen im Metrum zu suchen.

Rilke ist so fein und differenziert mit der Sprache umgegangen... ich finde es wirklich schwierig, sein Metrum so genau abgestuft "einzuteilen", entweder Jambus oder Trochäus, vielleicht dazwischen noch Spondeus, mehr gibt es nicht --- das erscheint mir oft viel zu grob.
Gibt es denn nicht in Wirklichkeit unzählige Schattierungen auch noch zwischen "Jambus" und "Spondeus"? - Aber man hat halt manchmal das Bedürfnis, ein Gerüst zum "Festhalten" zu haben, wenn man darüber sprechen will :wink:
In diesem Sinne: alles Gute für Deinen Vortrag!

Verfasst: 3. Jan 2007, 19:51
von Jabberwocky
Ich empfinde das ähnlich und ich bin (nachdem was ich bis jetzt erfahren haben) der Meinung dass Rilke mit einer so schematischen Eiteilung auch seine Probleme gehabt hätte - ich denke nur an "Ich fürchte mich so..."

Aber was soll man tun? Vortag ist nunmal Vortrag und erwartet Formalitäten :wink:

Verfasst: 3. Jan 2007, 20:17
von gliwi
Hallo Jabberwocky,
ich rate: entscheide dich, sage: für mich ist das ein Spondeus, und dann vertritt es mit Überzeugung. Mich hast du schon überzeugt. Unter der Voraussetzung, dass wir uns einigermaßen auskennen mit der Metrik und nicht unsere Unkenntnis kaschieren wollen, haben wir die Freiheit, selbst zu definieren. Wer anfängt zu kochen, sollte sich eng ans Rezept halten, wer es dann schon kann, wandelt die Rezepte ab. So ist es mit der Metrik.
Gruß
gliwi

Verfasst: 4. Jan 2007, 19:45
von Jabberwocky
Ich hätte da noch eine Frage:
kein bei einem Reimschema was folgendermaßen aufgebaut ist

schmutz
schmutz
schmutz
usw.

überhaupt von 5hebigen Jamben gesprochen werden?



und noch etwas (ohne dass ich nerven will)

existiert hier ein lyrischens Ich? Ich würde ja nein behaupten. Aber wie bezeichnet man denn dann das "sein" und "ihm". Ein lyrisches du kann es ja auch schwerlich sein.
Ist es dann ein "lyrisches Er" ???

Verfasst: 4. Jan 2007, 20:50
von gliwi
Ich sehe die beiden Probleme nicht. Wenn du dich für Jamben entscheidest, dann hast du hier fünfhebige Jamben - was sonst? Es gibt Interpreten, die würden es als Trochäen mit Auftakt sehen, weil die einzelnen Wörter fallen und nicht steigen - aber das sind interpretatorische Feinheiten, die man sich erst leisten kann, wenn alle Prüfungen bestanden sind. Der letzte Vers hat allerdings bloß vier Hebungen, das müsste natürlich erwähnt - und interpretiert werden.
Ein lyrisches Ich gibt es in diesem Gedicht ebensowenig wie in den anderen "Dinggedichten" von Rilke. "Er" und "sein" usw. bezieht sich doch ganz klar auf den Panther, und der ist ganz real - es gibt sogar ein Photo von ihm.
Gruß
gliwi

Verfasst: 4. Jan 2007, 20:59
von stilz
Ich bin zwar kein Experte --- aber von "fünfhebigen Jamben" würde ich überhaupt nicht sprechen wollen, auch wenn ich diese Bezeichnung aus meiner Schulzeit kenne: ein Jambus ist doch definitionsgemäß "einhebig", nämlich ein Versfuß mit einer Senkung und einer Hebung, oder? (ich erinnere mich, daß Andrea schon mal darauf hingewiesen hat)

Allerdings: jede Zeile ist fünfhebig... auch die "sechssenkigen" :wink:

Und ein "lyrisches Ich" --- dazu müßte meiner Meinung nach das Wort "Ich" vorkommen, oder zumindest Verben in der ersten Person.

Das Subjekt dieses Gedichtes, oder vielleicht könnte man sogar auch "Objekt" sagen, im Sinne von "Gegenstand", "Thema" --- das ist der Panther, und auf ihn bezieht sich auch "ihm" und "sein". Wieso ist das eine Schwierigkeit?

Und soviel ich weiß, wird es als "Ding-Gedicht" gesehen --- wenn es auch problematisch erscheinen mag, ein Tier als "Ding" zu bezeichnen... na, da kämen wir schon wieder in eine Diskussion darüber, was der Begriff "Ding-Gedicht" bedeutet... siehe http://rilke.de/phpboard/viewtopic.php?t=1232

Schon wieder eine Bezeichnung, die mir unglücklich gewählt scheint ... ich bin froh, daß ich keinen Vortrag halten muß! :wink:

Trotzdem: viel Erfolg!