Henry hat geschrieben:Allein aus dem Bild soll die Aussage erkennbar werden. Ich stelle aber fest, dass das "Stundenbuch" viel zu umfassend ist für ein solches Vorhaben, es würde vermutlich zu holzschnittartig.
Da kann ich dir nur zustimmen. Versteh’ mich nicht falsch: Ich käme nicht darauf, einen künstlerisch risikofreudigen Impuls vom Tisch zu fegen, noch ehe er unternommen ist. Viel härter urteile ich erst, wenn ein vorbildloser Kunstversuch, um einer ratlosen Öffentlichkeit sich anzudienen, ein bestehendes, anerkanntes Kunstschaffen in Anspruch nimmt, von dessen Autorität oder auch nur von dessen Renommée profitierend. Du - so ist mein Eindruck - willst dem „Stundenbuch“
dienen: Und ich fürchte ein wenig, dieser Dienst ähnelt dem des Pfadfinders, der («Jeden Tag ein gutes Werk!») die Oma über die Straße führt; nur wollte sie gar nicht auf die andere Seite…
Auch ich will jetzt Rilke nicht argumentativ „in Anspruch nehmen“; aber aufmerksam machen möchte ich, und zwar auf einen Brief an
Elle Asmussen (3. September 1924), aus dem ich zu deinem eigenen Erwägen zitiere.
Elle Asmussen hatte Rilke neun Zeichnungen zugesandt, in deren Rhythmus des Ausdrucks, Rilke zufolge, „
ein Wesentliches jenes Erlebnisses eingegangen“ sein mochte, durch das sie „
sich an das Stundenbuch (!) angeschlossen“ fühlte. Er schickte sie mit dem hier vorliegenden freundlich entschiedenen Begleitschreiben zurück.
RMR hat geschrieben:«…muss ich nun freilich versichern, dass ich jeder Art Illustrierung durchaus abgeneigt bin und alle Vorschläge dazu, welches Buch immer sie betrafen, abgelehnt habe. Ich könnte, trotz aller Teilnehmung an Ihren Blättern, auch vor Ihnen nicht anders entscheiden, denn es scheint mir ein für allemal, dass das dichterische Bild eine solche Festlegung und Bindung an bestimmte Vorstellungen des in ihm vorgeschlagenen Inhalts nicht ohne Schaden vertrüge; ein solches Bild will nicht beim Wort genommen sein, es lebt von seiner Schwebe und erneut sich aus ihr. Nicht, als ob es ungenau sein und so bleiben wolle: aber es liegt in dem Geheimnis seiner Natur, in jedem Auffassenden einen anderen Rand seiner Präzision abzuzeichnen. – Wende ich diese Voreingenommenheit auf Ihre Arbeiten an, so erscheinen mir in der Tat alle „Bilder“, für die Sie eine oft sehr glückliche Darstellung erfunden haben, durch den Eigensinn des sie fassenden Stifts irgendwie ins Besondere eingeschränkt und aufgehalten. Vielleicht, dass das erste Blatt, erfüllt von der großen Schwingung in jenen Ringen, eine Ausnahme macht. Aber selbst ein solches, dem Beschauer seine ganze Freiheit wiederschenkendes Blatt könnte ich mir nicht in jene Gedichtreihe eingefügt denken: so sehr erschien mir die Richtung der im Lesenden wirkenden Imagination auch noch durch den gültigsten Gestaltungsvorschlag unterbrochen und abgelenkt.
Mag ich mit dieser Auffassung im Unrecht sein, sie ist mir so unwillkürlich, dass ich mich ihrem Einfluss noch nie, vor irgendwelchen illustrativen Verwirklichungen, entziehen konnte. …»
Aus ähnlichen Gründen habe ich hier in einem anderen Thread, wo es um Rilke + Musik ging, angemerkt, die Musik solle ein eigenständiges Gewicht in einem multiplen Kunstevent haben und nicht Illustration sein. Kannst du mit dem entsprechend auf dein Vorhaben gewendeten Gedanken etwas anfangen?