Gedichte Interpretieren
Verfasst: 16. Mai 2006, 15:20
Hallo Zusammen
Ich habe ein riesiges Problem. Ich muss diese 10 Gedichte von Rilke interpretieren, aber leider bin ich eine Niete in dieser Hinsicht. Hoffentlich kennt jem. von euch einige dieser Gedichte und kann mir helfen. Bin über jede Information froh.
Die Engel
Sie haben alle müde Münde
Und hell Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
Geht ihnen manchmal durch den Traum.
Fast gleichen sie einander alle;
In Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.
Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
Im dunklen Buch des Anbeginns.
Der Nachbar
Fremde Geige, gehst du mir nach?
In wie viel fernen Städten schon sprach
Deine einsame Nacht zu meiner?
Spielen dich hunderte? Spielt dich einer?
Giebt es in allen grossen Städten
Solche, di sich ohne dich
Schon in den Flüssen verloren hätten?
Und warum trifft es immer mich?
Warum bin ich immer der Nachbar derer,
die dich bange zwingen zu singen
und zu sagen: Das Leben ist schwerer
als die Schwere von allen Dingen.
Der Letzte
Ich habe kein Vaterhaus,
und habe auch keines verloren;
meine Mutter hat mich in die Welt hinaus geboren.
Da steh ich nun in der Welt und geh
In die Welt immer tiefer hinein,
und habe mein Glück und habe mein Weh
und habe jedes allein.
Und bin doch manch eines Erbe.
Mit drei Zweigen hat mein Geschlecht geblüht
Auf sieben Schlössern im Wald,
und wurde seines Wappens müd
und war schon viel zu alt; -
und was sie mir liessen und was ich erwerbe
zum alten Besitze, ist heimatlos.
In meinen Händen, in meinem Schooss
Muss ich es halten, bis ich sterbe.
Denn was ich fortstelle,
hinein in die Welt,
fällt,
ist wie auf eine Welle
gestellt.
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süsse in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Ende des Herbstes
Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
Und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben;
Von den gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall:
Wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich bei den leeren
Und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernen Meeren
Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.
Fortschritt
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitem Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
Und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reicht
Ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Vorgefühl
Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muss sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schliessen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der staub ist noch schwer.
Da weiss ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
Und werfe mich ab und bin ganz allein
In dem grossen Sturm.
Die Irren
Und sie schweigen, weil die Scheidewände
Weggenommen sind aus ihrem Sinn,
und die Stunden, da man sie verstande,
heben an und gehen hin.
Nächtens oft, wenn sie ans Fenster treten:
Plötzlich ist es alles gut.
Ihre Hände liegen im Konkreten,
und das herz ist hoch und könnte beten,
und die Augen schauen ausgeruht
auf den unverhofften, oftentstellten
Garten im beruhigten Geviert,
der im Widerschein der fremden Welten
weiterwächst und niemals sich verliert.
Die Bettler
Du wusstest nicht, was den Haufen
Ausmacht. Ein Fremder fand
Bettler darin. Sie verkaufen
Das Hohle aus ihrer Hand.
Sie zeigen dem Hergereisten
Ihren Mund voll Mist,
und er darf (er kann es sich leisten)
sehn, wie ihr Aussatz frisst.
Es zergeht in ihren zerrührten
Augen sein fremdes Gesicht;
Und sie freuen sich des Verführten
Und speien, wenn er spricht.
Alle 10 Gedichte aus dem Buch „Gedicht-Zyklen“ von Rainer Maria Rilke
Hoffentlich könnt Ihr mir helfen.
Vielen Dank
Walli
Ich habe ein riesiges Problem. Ich muss diese 10 Gedichte von Rilke interpretieren, aber leider bin ich eine Niete in dieser Hinsicht. Hoffentlich kennt jem. von euch einige dieser Gedichte und kann mir helfen. Bin über jede Information froh.
Die Engel
Sie haben alle müde Münde
Und hell Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
Geht ihnen manchmal durch den Traum.
Fast gleichen sie einander alle;
In Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.
Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
Im dunklen Buch des Anbeginns.
Der Nachbar
Fremde Geige, gehst du mir nach?
In wie viel fernen Städten schon sprach
Deine einsame Nacht zu meiner?
Spielen dich hunderte? Spielt dich einer?
Giebt es in allen grossen Städten
Solche, di sich ohne dich
Schon in den Flüssen verloren hätten?
Und warum trifft es immer mich?
Warum bin ich immer der Nachbar derer,
die dich bange zwingen zu singen
und zu sagen: Das Leben ist schwerer
als die Schwere von allen Dingen.
Der Letzte
Ich habe kein Vaterhaus,
und habe auch keines verloren;
meine Mutter hat mich in die Welt hinaus geboren.
Da steh ich nun in der Welt und geh
In die Welt immer tiefer hinein,
und habe mein Glück und habe mein Weh
und habe jedes allein.
Und bin doch manch eines Erbe.
Mit drei Zweigen hat mein Geschlecht geblüht
Auf sieben Schlössern im Wald,
und wurde seines Wappens müd
und war schon viel zu alt; -
und was sie mir liessen und was ich erwerbe
zum alten Besitze, ist heimatlos.
In meinen Händen, in meinem Schooss
Muss ich es halten, bis ich sterbe.
Denn was ich fortstelle,
hinein in die Welt,
fällt,
ist wie auf eine Welle
gestellt.
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süsse in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Ende des Herbstes
Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
Und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben;
Von den gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall:
Wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich bei den leeren
Und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernen Meeren
Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.
Fortschritt
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitem Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
Und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reicht
Ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Vorgefühl
Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muss sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schliessen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der staub ist noch schwer.
Da weiss ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
Und werfe mich ab und bin ganz allein
In dem grossen Sturm.
Die Irren
Und sie schweigen, weil die Scheidewände
Weggenommen sind aus ihrem Sinn,
und die Stunden, da man sie verstande,
heben an und gehen hin.
Nächtens oft, wenn sie ans Fenster treten:
Plötzlich ist es alles gut.
Ihre Hände liegen im Konkreten,
und das herz ist hoch und könnte beten,
und die Augen schauen ausgeruht
auf den unverhofften, oftentstellten
Garten im beruhigten Geviert,
der im Widerschein der fremden Welten
weiterwächst und niemals sich verliert.
Die Bettler
Du wusstest nicht, was den Haufen
Ausmacht. Ein Fremder fand
Bettler darin. Sie verkaufen
Das Hohle aus ihrer Hand.
Sie zeigen dem Hergereisten
Ihren Mund voll Mist,
und er darf (er kann es sich leisten)
sehn, wie ihr Aussatz frisst.
Es zergeht in ihren zerrührten
Augen sein fremdes Gesicht;
Und sie freuen sich des Verführten
Und speien, wenn er spricht.
Alle 10 Gedichte aus dem Buch „Gedicht-Zyklen“ von Rainer Maria Rilke
Hoffentlich könnt Ihr mir helfen.
Vielen Dank
Walli