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Engel
Verfasst: 13. Jan 2006, 22:55
von Nina
Hallo,
irgendjemand hier hat geschrieben, es gibt keine dummen Fragen, deshalb frage ich jetzt mal, auch wenn Ihr es sicher längst alle wisst. Was meint Rilke, wenn er schreibt: "Ein jeder Engel ist schrecklich" - in den "Duineser Elegien" ?
Nina

engel
Verfasst: 14. Jan 2006, 02:16
von Volker
Hallo,
ohne jetzt auf die Duineser Elegien eingehen zu wollen (bzw. zu können), muss, glaube ich, für jeden "normalen" Menschen das Erlebnis, einen wahren Engel zu schauen, mit Erschrecken verbunden sein. Nicht umsonst heißt es doch in der Bibel:
"Fürchtet euch nicht".
Jede übersinnliche Erscheinung ruft wohl zuerst Schrecken hervor:
Geist: Wer ruft mir?
Faust (abgewendet): Schreckliches Gesicht!
(Faust. Der Tragödie Erster Teil. Nacht.)
Verfasst: 14. Jan 2006, 13:12
von Anita
Hallo,
Rilkes Engel sind schon etwas ganz Besonderes . Schaut Euch mal seinen Schutzengel an , zum Beispiel . Was hat der noch Schützendes ? Was meint Rilke damit ? Ist der Titel von Rilke: "Der Schutzengel" ?
Anita

Verfasst: 19. Feb 2006, 00:43
von Undine
Gewiss ist der Engel in dem Gedicht "Der Schutzengel" noch ein Schutzengel. Wenn nicht sogar Rilkes einziger Schutzengel: Alle seine anderen Engel sind jene Wesen der Elegien, die dem Menschen fern sind und zu denen ein in-Kontakt-Treten unmöglich ist. Oder aber, so wie der Engel in den "Engelliedern" sind sie schwächliche, dem Menschen unterlegene Wesen. Im Stundenbuch suchen Engel nach Gott im Lichte, während Gott jedoch im Tiefen dunkelt.
Die erste, zweite, vierte und siebente Elegie haben den Engel zum Thema, hier ist er das den Menschen überwältigende, gewaltig und weit überlegene Wesen, das schrecklich ist. Eine etwas milderere Form dieses Engels wäre zum Beispiel im Gedicht "Der Schauende", oder "Der Engel" (Mit einem Neigen seiner Stirne weist...) - beide beinhalten den Kampf des Menschen mit dem Engel, wobei letzteres auch konkret eine Anspielung auf die Bibelstelle (Jakobs Kampfes) ist.
Hoffe irgendwen interessierts....

noch was...
Verfasst: 19. Feb 2006, 01:00
von Undine
Um gleich beim Thema zu bleiben, hab ich noch eine Frage, auch zu einem Engel: und zwar zum Gedicht "Der Engel" (Wie ist der hülflos, der mit nichts als Worten....): Ich weiß damit nämlich gar nichts anzufangen. Kann mir jemand von euch helfen? Wer ist gemeint, wenn Rilke schreibt:
...doch immer strahlender in deinem Dienst:
so hingegeben wie an große Räume
an dich, du weite, unbekannte Welt,
und wie ein Kind in seine ersten Träume
so atemlos in dich hineingestellt.
Beschäftigt, dir dein Leben hinzureichen,
die Stunde, die du grad bestimmst,
und schwindelnd von der Größe ohne gleichen
mit der du sie aus seinen Händen nimmst:
.....
....
Doch man wird sagen von dem Angesichte
an dem ein Engel lebte und ertrank.
An wen richtet sich das Gedicht? Und wessen Angesicht ist es dann?
Verfasst: 19. Feb 2006, 01:07
von Volker
Ob's irgendwen interessiert?
Interessiert schon. Nur vielleicht nicht mehr die Fragestellerin.
Es gibt eben viele "Gäste" die nur einmal kurz vorbeischauen - und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Ist so.
Auf jeden Fall: Danke für die Differenzierung.

Verfasst: 19. Feb 2006, 22:14
von stilz
Hallo Undine,
ich stimme Volker zu: es gibt genug Menschen, die das sehr interessiert, selbst wenn die ursprüngliche Fragestellerin inzwischen verschwunden sein mag...
Und zu Deiner Frage nach "Der Engel":
Ich bin natürlich nicht ganz sicher und kann nur Vermutungen anstellen --- aber dieses Gedicht wurde offenbar in Paris 1906 veröffentlicht, und zu dieser Zeit war Rilke bei Rodin.
Mir scheint es gut zu passen, wenn mit dem "Du" in diesem Gedicht
(Frage an die Experten: und spricht man in einem solchen Fall vom "Lyrischen Du"? 
) eben Rodin gemeint ist, neben dem ein Engel zu knieen scheint, der viele seiner Ewigkeiten verbraucht und an ihm ertrank --- und Rilke hatte recht, von Rodins "Angesichte" hört man immer noch sagen...
Liebe Grüße
stilz