Überinterpretation des "Panthers"

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

Antworten
m.

Überinterpretation des "Panthers"

Beitrag von m. »

Meine Deutschlehrerin bespricht mit uns zur Zeit Ding-Gedichte (Stufe 12). Dabei war natürlich auch "Der Panther" vertreten.
Die Ehrerin meinte, dass der Panther die Situation des Künstlers symbolisiert, der von der Gesellschaft und ihren Werten und Normen eingeengt ist und sich deshalb nicht schöpferisch entfalten kann.
Ich finde das ehrlich gesagt "überinterpretiert". Leider hatte ich keine Gelegenheit sie darauf anzuspechen, weil der Unterricht oft ausgefallen ist und wir nun in der nächsten Stunde eine Klausur zum Thema schreiben werden :? .

Ähnlich geht es mir bei Eduard Mörikes Gedicht "Auf eine Lampe"
Hierzu meinte sieeine Symbolik für das Schöne und Wahre als Abglanz des Göttlichen zu sehen. Diesen Gottesbezug kann ich ehrlichgesagt nicht finden.

Was ist eure Meinung dazu? Sehe ich das zu öberflächlich oder interpretiert meine Lehrerin in die Gedichte Dinge "hinein"?

m.
helle
Beiträge: 343
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene

Beitrag von helle »

Ich würde eher Dir Recht geben, in beiden Fällen. Das Problem bei Gedicht-Interpretionen ist allerdings, daß sie verschiedene Auslegungen erlauben und manchmal auch verlangen, das ist bei diesen Dingen anders als bei Mathematik oder der Naturwissenschaft, wo es eindeutiger zugeht. Eigentlich ist das nicht weiter schlimm, es wird erst dann zum Problem, wenn man nur eine Auslegung gelten läßt, ob die eigene oder eine übernommene.

Beim "Panther" meine ich, daß zunächst die Situation des Tiers dargestellt ist, und nicht die des Künstlers, und daß es das Tier ist, das von der Gesellschaft und ihren Werten und Bedürfnissen eingeengt ist und sich deshalb in einem ganz banalen Sinn nicht entfalten kann. Die Duineser Elegien gehen noch darüber hinaus und sagen, daß wir das Tier auch in seinem Bewußtsein nicht erfassen, obwohl sich dieses Verständnis vielleicht lohnen würde, aber das ist schon ein neues Thema. Wenn man nun beim "Panther" anfängt, die Situation des Gefangenseins zu übertragen, ob auf den Künstler oder den Menschen überhaupt oder nur auf bestimmte Menschen (womöglich fühlt auch Deine Lehrerin sich "von der Gesellschaft und ihren Werten und Normen eingeengt" und kann "sich deshalb nicht schöpferisch entfalten"), solte man das berücksichtigen, daß es sich um eine Übertragung handelt, die nicht immer aus dem Text selbst hervorgehen muß, und daß also zunächst offen bleiben sollte, ob sie ihm entspricht. Das wäre dann die Frage, die man klären müßte.

Gruß H.
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo helle,

... wir sollten bei Rilke bleiben . Dennoch etwas zu Deinem letzten Gedanken: ich meine auch, dass beim "Panther" das allgemeine Thema die Gefangenschaft ist , das Gefangen sein. Aber haben wir nicht - im Gegensatz zum eingesperrten Tier - immer auch die Möglichkeit, uns zu befreien und neue, andere Wege auszuprobieren (... so lange wir anderen damit nicht schaden...) ? Das mag für uns mit (äusseren) Einschränkungen und Verlusten verbunden sein, aber die Entscheidungsfreiheit liegt bei uns . Und ist das nicht ein Gewinn ?!

Liebe Grüße von Paula :lol:
helle
Beiträge: 343
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene

Beitrag von helle »

Ja, hallo Paula,

Deine Ermahnung, bei Rilke zu bleiben, haut mich jetzt etwas um, vor allem nach den Mäandern, in denen die Diskussion über das "Schlaflied" verlief; so Fragen, wer was mit wem hatte und ob man lieber allein schläft usf., waren ja wohl auch nicht so ganz eng beim Thema und mein Spott über die Lehrerin war auch nicht nur Spott, aber lassen wir das ruhig.

Es ist nicht mal "das allgemeine Thema der Gefangenschaft", das mich beim "Panther" besonders interessiert, sondern Rilkes Versuch – so wie Franz Marc (glaube ich mich zu erinnern, Du wirst das wissen) es mit seinen Bildern versucht hat – das Tier so zu sehen und empfinden, wie es sich selbst sieht und empfindet. Das erscheint mir zwar am Ende illusorisch, aber der Versuch hat was.

Die Möglichkeit, uns zu befreien und neue, andere Wege auszuprobieren, sehe ich nicht so zuversichtlich wie Du, aber das ist ein neues Thema und schwer zu entscheiden, weil, es ist ja Schiller-Jahr, mit des Geschickes Mächten kein ewger Bund zu flechten ist und weil man dabei Erfahrung neben Erfahrung halten kann. Die meisten gleichen sich nicht.

Gruß
H.
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo helle,

bin halt lernfähig :wink: !

Sicher sind Erfahrungen verschieden. Ich zb bin eine von den typischen Aussteigerinnen . Zunächst Lehrerin entschied ich mich dann , mich als Künstlerin - ist meine Profession - zu verselbstständigen....
Da ist Dein Geschäftsführer-Posten sicher etwas ganz anderes... ?!

Wenn es aber nicht immer wieder Leute geben würde, die versuchen, etwas zu verändern, würden wir alle heute noch in der Steinzeit leben und das ist doch bestimmt auch nicht das, was Du gerne möchtest ?!

Schau mal den "Panther" an zur Zeit Rilkes im Zoo. Es gibt hier im Forum irgendwo auch einen Link zu einer Postkarte aus der damaligen Zeit . Inzwischen hat sich einiges geändert in den Tiergärten . Sicher war dafür die Rezeption des bekannten Rilke-Gedichts mitausschlaggebend !?! Auf jeden Fall habe ich schon sehr viele Freilaufgehege gesehen in Zoos ... Dort kann man viel besser beobachten, wie die Tiere sich im Freien bewegen ... Und das ist doch schon mal ein - kleiner - Fortschritt ...

Viele Grüße von Paula :lol:
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
Wohnort: Ba-Wü

Beitrag von gliwi »

Um zur ursprünglichen Frage zurückzukommen: Ja, ich halte beides für überinterpretiert. 1. schnappt der Künstler keine Bilder im Vorübergehen auf, die dann in senem Herzen zu sein aufhören. 2. war das nicht Rilkes Thema! Er hat nie so unter den Zwängen der Gesellschaft gelitten wie z. B. einige Stürmer und Dränger und einige RomantikerInnen (Günderode - hat sich umgebracht, Lenz - verrückt geworden), wie Kleist - Selbstmord , Kafka usw.usw.
Im Gegenteil, Rilke, sage ich jetzt mal, hat sich in der "besseren" Gesellschaft bewegt wie der Fisch im Wasser. Nein, je länger ich darüber nachdenke, umso absurder erscheint mir diese Interpretation.
Was Mörike angeht, so liegt natürlich ein Gottesbezug nahe, weil er Pfarrer war. Aber gerade bei diesem sehr berühmten Gedicht ist sich meines Wissens die Fachwelt einig, dass es sich ganz in der Tradition der Antike befindet. Wie will deine Lehrerin denn da einen Bezug zum christlichen Gott herstellen? Ich sehe jedenfalls keinen. Und was deine Abneigung gegen das "Überinterpretieren" angeht, die finde ich sehr gesund. :P
Gruß
gliwi
Alex L.

Beitrag von Alex L. »

Hi ,

warum befreit sich der "Panther" nicht und geht nach "Madagascar" ?

Alex 8)
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo Alex :lol: ,

... vielleicht : weil er kein Sushi mag :wink: ?

Paula :lol:
Antworten