"Das Lied der Bildsäule" Analyse, Interpretation

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Herbsttag
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"Das Lied der Bildsäule" Analyse, Interpretation

Beitrag von Herbsttag »

Hallo,

ich komme mit den letzten Versen des Gedichtes nicht klar:

"...so werd ich allein
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut, wenn es reift wie der Wein?
Es kann aus dem Meer nicht den Einen schrein,
der mich am meisten geliebt."

Ich wäre dankbar für einen Interpretationsvorschlag!

Danke A.!
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Volker
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Beitrag von Volker »

Das ergibt sich aus dem Anfang:
Wer ist es, wer mich so liebt, daß er
sein liebes Leben verstößt?
Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,
so bin ich vom Steine zur Wiederkehr
ins Leben, ins Leben erlöst.

Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;
der Stein ist so still.
Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.
Hat keiner den Mut,
durch den ich erwachen will?

Und werd ich einmal im Leben sein,
das mir alles Goldenste giebt, -
Also, stell dir vor, du bist die Bildsäule, bist zum Leben erweckt durch einen, der dich so liebt, dass er sich für dich geopfert hat. Weinst du diesem dann nicht hinterher?
Aber was hilft dir dein Blut, wenn es reift ... d.h. wenn du alterst?
Dann bleibe ich doch lieber eine Bildsäule.

Gruß
V.
Herbsttag
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"Das Lied der Bildsäule" Analyse, Interpretation

Beitrag von Herbsttag »

Hallo Volker, :) :?:

ich glaube, ich habe das System des Antwortens erst jetzt verstanden und wer weiss, wo meine andere Antwort gelandet ist.
Also nochmal vielen Dank für Deinen Interpretationsvorschlag. Aber einige Fragen stehen noch offen.
Könnte man es vieleicht so verstehen:
In einer Frau werden die Leidenschaften geweckt, sie liebt zum ersten mal. Da sich der Erlöser, der Geliebte aber geopfert hat, muss sie ihre erblühten Leidenschaften allein durchs Leben tragen, geht also von einem zum Anderen, ohne je wieder die grosse Liebe gefunden zu haben, und sie wünscht sich die Gefühlskälte des Steines zurück. Dabei altert sie natürlich und das rauschende Blut, ihre Leidenschaft, trifft nicht den Einen.
Warum muss man sich opfern, sein Leben verstossen. Wie verstehst Du das Opfern, in welcher Form passiert es?

Gruss Anke!
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Volker
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Bildsäule

Beitrag von Volker »

und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Goethe, MIGNON
Rilkes mag bei seinem Lied von der Bildsäule auch von Goethes Mignon inspiriert gewesen sein....

Hallo Herbsttag!
Jeder kann sich seine eignen Vorstellungen machen, bei Gedichten.
Das Lied von der Bildsäule: Deine Gedanken dazu kann ich gut verstehen. Mir gehen bei diesem Gedicht auch bestimmte Bilder durch den Kopf:
Bild
Da steht die Bildsäule, aus weißem Marmor, eine unvergleichlich schöne Frauengestalt. So lebensecht, dass man denken könnte, gleich steigt sie vom Sockel herab und schreitet dir entgegen.
Aber was denkt sie, was empfindet sie? Sehnt sie sich nicht auch nach Leben und warmem Blut, - so sehr wie du dich danach sehnst, dass sie wirklich lebendig werden möge? Vielleicht.
Dann das Märchenhafte: Kommt einmal ein Jüngling, der sich für sie opfert, aus Liebe zu ihr ins Meer geht, dann ist sie erlöst, dann wird sie lebendig.
Aber ach, wo ist dann der Geliebte? Er ist tot. Sie kann ihn nicht mehr (aus dem Meer) zurückrufen. Und deswegen:
"...so werd ich allein
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut, wenn es reift wie der Wein?
Es kann aus dem Meer nicht den Einen schrein,
der mich am meisten geliebt."
Gruß
V.
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