Seite 1 von 1

Suche "Hohe Blumen, steile Gräser..."

Verfasst: 16. Okt 2004, 18:08
von Ylva
Hallo,

ich suche schon ganz verzweifelt nach einem Gedicht . Da ich denke es könnte von Rilke sein - vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen ?

Den Anfang weiss ich noch:
Hohe Blumen, steile Gräser
Zittern leis im frühlingstrunknem Duft.
Dämmernd schimmern Apfelblüten
In der hohen Abendluft...
Wie es weitergeht, weiss ich leider nicht mehr :cry:

Ylva

Verfasst: 21. Okt 2004, 19:40
von Barbara
Liebe Ylva,

endlich komme ich dazu - nach einigem Suchen -, zu antworten. Das Gedicht ist nicht von R.M. Rilke sondern von seinem Freund Heinrich Vogeler . Er hat es in einem kleinen Büchlein mit eigenen Gedichten und Federzeichnungen mit dem Titel "Dir" herausgebracht . 1899 erschienen in einer sofort vergriffenen Erstausgabe wurden vom Insel Verlag bis 1922 8000 Exemplaren verlegt.

Das gesuchte Gedicht geht folgendermassen weiter:

"... Golden kriecht die letzte Sonne
Durch das wirre Baumgeäst
Küsst zur Nacht die kleinen Blüthen,
Küsst das kleine Finkennest."


Über diesem Gedicht ist ein Fink zu sehen, der auf einem Apfelblütenast sitzt . Unter dem Gedicht ist ebenfalls eine Apfelblüte gezeichnet von Heinrich Vogeler .

Allerdings bedauerte Vogeler später oft die Beliebtheit dieses Büchleins, da sich sein Stil und seine Auffassung grundlegend verändert hatten.

Liebe Grüße von Barbara :lol:

Verfasst: 22. Okt 2004, 20:06
von Ylva
Hallo,

Danke! Mir gefällt das Gedicht sehr gut !

Kennst Du auch noch andere Gedichte von Heinrich Vogeler ?

Liebe Grüße von Ylva :lol:

Verfasst: 2. Nov 2004, 19:11
von Inge
Hallo,

... hier noch ein Gedicht von Heinrich Vogeler:


Langsam strich ich durch den alten Garten,
Wo bemooste Apfelbäume starrten
Mit den krummen Knochenarmen
In die hohe Abendluft;
Wo im erdgen Bodenduft
Kleine weisse Glockenblumen
Auf den Gruss der Sonne warten.


und noch eines:


Schwarzes nächtiges Thal, lichterbesät,
Der Nachtigall lockendes Schlagen,
Ein Suchen, ein Finden,
Ein Schmiegen, ein Pressen,
Weich legt sich Dein zitternder Arm
Um meinen gebeugten Nacken.


Liebe Grüße von Inge :lol:

"Dir"

Verfasst: 4. Nov 2004, 18:09
von Ylva
Und was sagt Rilke zu "Dir" ?

Verfasst: 4. Nov 2004, 22:03
von Inge
Rainer Maria Rilke: Für Heinrich Vogeler
Zu seinem Buch "Dir"


Meine Hände gingen voran,
es folgten meine Blicke dann
ihnen durch das Buch,
und waren schon die Hände leis:
die Augen, in der Furcht des Mai`s,
gingen in einem großen Kreis
um einen jeden Spruch.

Und als es wieder leise war
im Buch, nach ihrem Gehn,-
ließ mein Gefühl sich wunderbar
allein den Weg geschehn.
Ging mitten durch das Blütenlos
und wurde klein und wurde groß,
je nach dem Raum im Reim;
und sehnte sanft sich heim,
als ihm der Tod im Boote sang,
und wurde bei der Weide bang,
der von dem hängenden Behang
das Leben lautlos rinnt.
Und ging dann still den Händen nach
zum Hause mit dem roten Dach,
darin das Leben tausendfach
und neu beginnt ..."

Geschrieben in Berlin-Schmargendorf, 20. November 1899

Liebe Grüße von Inge :lol: