Gedicht von Rilke?

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Gast

Gedicht von Rilke?

Beitrag von Gast »

Ich habe kürzlich eine Frauenzeitschrift gelesen (Tina oder Laura oder...), dort war ein Gedicht abgedruckt das glaube ich von Rilke stammt. Leider kann ich mich weder an den Titel noch an einen Auszug erinnern, es kam aber so ein Gedanke drin vor, wie "wenn ich kein hirn mehr habe, denke ich mit dem Herzen" oder so...
Hilft nicht viel oder?
Dariusz
Beiträge: 42
Registriert: 11. Mai 2005, 07:59
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Beitrag von Dariusz »

Lieber Gast,

der Gedanke kommt im Stunden-Buch vor:
  • Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
    wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
    und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
    und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
    Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
    mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
    halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
    und wirfst du in mein Hirn den Brand,
    so werd ich dich auf meinem Blute tragen.
[Das Stunden-Buch, Das Buch von der Pilgerschaft]

Eine angenehme Lektüre wünscht

Dariusz
helle
Beiträge: 343
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Beitrag von helle »

Vielen Dank für das Einstellen des Gedichts. Aber was soll man nun davon halten? Ich habe angesichts dieses Textes das Problem, das ich mit manchen Rilke-Texten habe, er scheint mir irgendwie zwischen Genie und Seifenoper zu schweben. EInerseits diese staunenswerte unbedingte radikale Hingabe - man weiß gar nicht genau, an wen eigentlich, vermutlich an die Geliebte, aber denkbar wäre auch der liebe Gott oder ein anderes Idol (von stalking will ich jetzt nicht reden), und andererseits diese Infantilismen, "ohne Füße kann ich zu dir gehn" usw. - für mich schlägt das Unbedingte, Kompromißlose hier um in ein lianenhaftes sich Anklammern an welche Größe auch immer, die so stark aufgetragen ist, daß sie ins Lächerliche übergeht.
Aber ich frage mich, ob das nur mir so geht?
Gruß H.
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo,

mir fällt dazu folgende Stelle aus dem "Malte" ein:

"Manchmal früher fragte ich mich, warum Abelone die Kalorien ihres großartigen Gefühls nicht an Gott wandte. Ich weiß, sie sehnte sich, ihrer Liebe alles Transitive zu nehmen, aber konnte ihr wahrhaftiges Herz sich darüber täuschen, daß Gott nur eine Richtung der Liebe ist, kein Liebesgegenstand? Wußte sie nicht, daß keine Gegenliebe von ihm zu fürchten war? Kannte sie nicht die Zurückhaltung dieses überlegenen Geliebten, der die Lust ruhig hinausschiebt, um uns, Langsame, unser ganzes Herz leisten zu lassen? ..."

Oder ist das ein ganz anderes Gottes-Verständnis ? Was meint Ihr ?

Paula :lol:
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