Die zehnte Elegie ( Geld )

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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saoq
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Die zehnte Elegie ( Geld )

Beitrag von saoq »

hallo


Neulich habe ich die Duineser Elegien gelesen. Freilich ist es eine der wichtigen Kunstwerke ueberhaupt. Ich kann aber etwas nicht ausreichend verstehen.
In der zehnten Elegie gibt es eine vielleicht seltsame Bild/Vorstellung des Geldes.
Ich zitiere es:


Für Erwachsene aber
ist noch besonders zu sehn, wie das Geld sich vermehrt, anatomisch,
nicht zur Belustigung nur: der Geschlechtsteil des Gelds,
alles, das Ganze, der Vorgang -, das unterrichtet und macht
fruchtbar .........

Ich wurde sehr dankbar sein, wenn jemand die Bedeutung des Bildes zum Vorschein bringen koennte. Warum stellt es Rilke hier?

Danke im voraus

ps. please forgive my poor german

Vagelis S.
helle
Beiträge: 343
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene

Beitrag von helle »

Das Thema des Geldes hängt ja mit dem Klage-Charakter dieser Elegie zusammen. Während die Klage hier sonst eher allegorische Gestalt hat, ist das Geld, wie auch andere Einrichtungen, die vom falschen Bewußtsein der Gesellschaft zeugen (der "Trostmarkt" der Kirche, die Vergnügungs- und Werbebranche) ein konkretes Thema, und Rilke stellt es mit einem in seiner Dichtung sonst seltenen Zynismus und mit "grimmiger Einsicht" (Vers 1) dar. Er beklagt ja Verblendungen, jenen falschen Schein, der verbirgt, wie es "im Rücken der Planke [...], wirklich", also wie es eigentlich ist. Auch die Gleichsetzung von Geld und Sexus dient der Kritik dieses falschen Scheins, denn "anatomisch vermehren" kann das Geld sich natürlich nicht und nur da "fruchtbar" erscheinen, wo die Beziehung zu den natürlichen Gegenwerten unterbrochen ist, wie etwa bei der Börsenspekulation. Überhaupt spielt ja in unserem famosen Spätkapitalismus die Metaphorik des "Wachstums" noch eine zweifelhafte, aber bedeutende Rolle. ("Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch", heißt es bei Brecht, aber das würde jetzt wirklich zu weit führen.)

Übrigens – Dein Deutsch ist doch sehr gut.
Gruß Helle
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