Formanalyse: Ausgesetzt; Hilfe bis 7.4. nötig.

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

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PRÜFUNG

Formanalyse: Ausgesetzt; Hilfe bis 7.4. nötig.

Beitrag von PRÜFUNG »

Ich hab gelesen, dass das Gedicht AUSGESETZT AUF DEN BERGEN DES HERZENS
aus Distichen besteht, mit verkürzten Penta und Hexametern, und freien trochäen und daktylen, jedoch schaffe ich es nicht die einzuordnen.

Kann mir jemand hier Helfen, die Metrik und Betonung aufzuschreiben
/ für Betont und
X für Unbetont.


Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....

Aus-ge-setzt auf den Ber-gen des Her-zens. Sie-he, wie klein dort,
/ x x / x / x x / x / x x / x
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
/ x x / x / x x / x x / x

doch wo ist da ein Pentameter.
im 10 verkürzt alles zum drei hebigen...

Kennst sich da jemand aus. Bräuchte die info bis Donnerstag 7.4. für ne Prüfung.



Aus: Nachlaß
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Na, im zweiten Vers hast du doch fünf Hebungen/ Penta ist fünf, soviel ich weiß. Ich würde anders anfangen:
/X/XX/XX/X /XX/X
/XX/X/XX/X X/X
/XX/X /X/X
X/XX/ X/X
/X/XX/XX/X /X
/XX/X X/X
/XX/ X/X/X
/X/schmutz//XX/
/XX/XX /XX/XX/
X/X /X/XX/XX/X
X/X/XX/X
/XX/ /XX/XX/X
/XX/ XX/XX/XX/X
/XX/X/XX(XX - /X
/X/X /XX/XX/X...
Ich habe drei Senkungen nur einmal, im Vers 7.
PRÜFUNG

Beitrag von PRÜFUNG »

vielenlieben DANK.

Nun Pentameter hat die Form:

/XX/XX/ II /XX/XX/

das hat mich halt verunsichert und irritiert.
die 3. Silbe ist verkürzt und die Senkungen fallen weg.
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo,
ich bin zwar überhaupt keine Expertin, aber ich kann’s ja mal versuchen mit den Hebungen und Senkungen:

1 Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
-.-..-..-.-..-. Hexameter
2 siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
-..-.-..-..-.
3 aber wie klein auch, noch ein letztes
-..-.-.-.
4 Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
.-..-.-.
5 Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
-.-..-..-.-.
6 unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
-..-.-..-..-.-.-.
7 blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
-..-..- -..- die beiden aneinanderstoßenden Hebungen erinnern an Pentameter
8 Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
-..-..-..-..-
9 und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des
Herzens.
.-.-.-..-..-.
10 Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
.-.-..-.
11 manches umher, manches gesicherte Bergtier,
-..- -..-..-. wieder Pentameter-Erinnerung, allerdings paßt die letzte Senkung nicht dazu
12 wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
-..-..-..-..-.
13 kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
-..-.-..-..-.
14 ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens
-.-.-..-..-.


Na ja, ich bin mir nicht sicher, ob man das wirklich so sehen muß, daß es sich da um verfremdete Distichen handelt… aber es ist schon so, daß der Rhythmus manchmal an diese elegischen Distichen erinnert; ein paarmal könnte man, wenn man unbedingt will, einen Hexamter herauskriegen, wenn man die Zeilenumbrüche anders macht…
In Zeile 7 würd ich nochmal nachschauen, ob es wirklich „unwissendes“ heißt, wenn es nämlich „unwissend’“ hieße, könnte man „unwissend“ betonen, was irgendwie „stimmiger“ zu sein scheint… aber ich möchte natürlich Rilke nicht ausbessern, vielleicht heißt es ja auch gerade deshalb „unwissendes“, weil so ein Kraut eben nicht weiß, was ein Versmaß ist…

Insgesamt stelle ich fest, daß diese ganze rhythmische Überlegung mich eher von dem Gedicht zu entfernen scheint… tut mir leid, ist wohl keine große Hilfe!

Liebe Grüße

stilz
Zuletzt geändert von stilz am 4. Apr 2005, 23:34, insgesamt 1-mal geändert.
stilz
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Beitrag von stilz »

P.S.:

Oh, gliwi, hab Deinen Beitrag erst jetzt gesehen, so sind also die Hebungen und Senkungen doppelt gemoppelt, na, schadet ja auch nix.

Liebe Grüße!

stilz
gliwi
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Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
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Beitrag von gliwi »

Leider bin ich zu blöd, ein link zu setzen. Aber gehe mal zu
infos.aus-germanien.de/Pentameter. Ich glaube, du setzt die Hebungen falsch. Da ist es ganz gut und einfach erklärt.
Gruß
gliwi
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo gliwi,

danke für den link, aber ich denke schon, daß mir die Form des Pentameters klar ist... und der Gast namens PRÜFUNG hat das ja auch ganz richtig erkannt!
(warum er "Pentameter" heißt und trotzdem nicht fünf-, sondern sechshebig ist, weiß ich allerdings nicht)
Nur: es gibt eben keinen vollständigen Pentameter in diesem Gedicht, nur unvollständige "Anklänge", was ich als "Erinnerung" bezeichnet habe...
Wo meinst Du, daß die Hebungen falsch sind? Hast Du nicht - bis auf das "unwissende Kraut" - dieselben wie ich? Und in der ersten Zeile sind wir uns auch einig, da wollte PRÜFUNGsgast ein bißchen anders.

Lieben Gruß

stilz
stilz
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Beitrag von stilz »

P.S.:

Falls Du Zeile 6 meinst - da hast Du recht, da ist mir ein Fehler passiert...

stilz
gliwi
Beiträge: 941
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Beitrag von gliwi »

Hallo Stilz,
das ist ein Missverständnis - die Botschaft ging nicht an dich, sondern an Prüfung. Außerdem hast du völlig recht. Ich war da viel zu ungenau. Könnte es sein, dass Rilke sozusagen eigene Distichen macht, die ihm besser zur deutschen Sprache zu passen scheinen?(Das wäre das, was du mit Anklängen meinst) Denn antike Distichen in Deutsch klingen ja ein bisschen schwerfällig. Aber das hilft Prüfung nicht weiter.
Gruß
gliwi
Gast

Beitrag von Gast »

Ich hab herausgefunden, dass die elegische Form nicht die genaue Distichenform nachamt, sondern zu Rilke passt der Sinn:
Elegien, sind Klagelieder über den Verlust eines unwiederbringlichen Zustandes,

und Rilke klagt hier über den Verlust der Sprache, bzw. Seiner Verweigerung die Innenwelt (Gefühl und Bewußtsein) auszudrücken.

Daher die Freien Füllungen, und "Penta" im Sinne von fünfhebig, und nicht die Form von Pentameter.

Nun ja, danke für die rege Beteiligung;-))
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