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Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo Stilz,
ganz klar, ich habe mich vertan. rilke.de lässt eben kaum einen Wunsch offen!
Mit Dank für den Hinweis
e.u.

Hallo gliwi,
ja, da bin ich ganz Deiner Meinung, das mit der Mutterbeziehung sieht sehr autobiografisch aus. Aber jetzt müsste eigentlich der Briefwechsel mit der Mutter zu lesen sein (nicht nur die schon ganz ritualisierten, hübschen Weihnachtsbriefe). Dann könnte man mit etwas mehr Übersicht an das Thema herangehen.
Leider kenne ich das neue (italienische) Buch über Rilkes Kindheit von Alberto Destro nur vom Hörensagen. Vielleicht wird man dadurch etwas schlauer.
Herzliche Grüße
e.u.
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

... dazu passt auch das Gedicht "Nacht" aus den "Christus-Visionen" von R.M. Rilke . Zumindest haben wir es so beim letzten Literaturkreis besprochen und gelesen . Die "Christus-Visionen" fehlen leider in der KA.

Viele Grüße von Barbara :lol:
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo,

ich habe inzwischen Zeit gehabt, mich nochmal mit dem Marienleben auseinanderzusetzen -
Als ich Dein Zitat aus der "Hochzeit zu Kana" las, e.u., dachte ich natürlich auch zunächst an das autobiographisch erklärbare kritische Verhältnis zur Mutter, jetzt bin ich nicht mehr so sicher.
Denn sogar in diesem Gedicht gibt es Stellen, die von großem Verständnis für Marias "blinde Eitelkeit" zeugen:


Konnte sie denn anders, als auf ihn
stolz sein, der ihr Schlichtestes verschönte?
War nicht selbst die hohe, großgewöhnte
Nacht wie außer sich, da er erschien?
...
Ach
sicher hatte sie zu hundert Malen
ihre Freude an ihm auszustrahlen
sich verwehrt. Sie ging ihm staunend nach.

Aber da bei jenem Hochzeitsfeste,
als es unversehns an Wein gebrach, -
sah sie hin und bat um eine Geste
und begriff nicht, daß er widersprach.

Und dann tat er's. Sie verstand es später,
wie sie ihn in seinen Weg gedrängt:
...



Mir scheint es eher so zu sein, daß zum Leben und Leiden Christi auch dazugehörte, daß Maria so war, wie sie eben war ... in "Christi Geburt" heißt es:


Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?



Und die "Pietà" in diesem Gedicht-Zyklus scheint auch nicht von einer in erster Linie egozentrisch Liebenden zu sprechen:

Jetzt wird mein Elend voll, und namenlos
erfüllt es mich. Ich starre wie des Steins
Inneres starrt.
Hart wie ich bin, weiß ich nur Eins:
Du wurdest groß -
...... und wurdest groß,
um als zu großer Schmerz
ganz über meines Herzens Fassung
hinauszustehn.
Jetzt liegst du quer durch meinen Schooß,
jetzt kann ich dich nicht mehr
gebären.



Natürlich sieht das vom Standpunkt der Maria Magdalena anders aus... und das Schöne bei Rilke ist, finde ich, daß er sich eben nicht entscheidet, wer "recht" hat bzw wer Jesus im Arm halten dürfen sollte...



Mit lieben Grüßen

stilz


P.S.: Hier auf rilke.de steht die "Pietà" zweimal im Marienleben, einmal dort, wo sie "chronologisch" hingehört, und dann noch einmal zum Schluß. Ist das ein Versehen, oder hat Rilke das so geschrieben?
stilz
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Beitrag von stilz »

Übrigens bin ich jetzt natürlich sehr neugierig auf "Nacht" und die "Christus-Visionen", hab sie hier leider nicht gefunden, vielleicht kann jemand helfen?


stilz
Louise

Beitrag von Louise »

Hallo,

wenn man sich ausdenkt, dass durch die "Christus-Visionen" der Austausch Rainer Maria Rilkes mit Lou Salome möglich wurde :!: Ich lese gerade den Briefwechsel zwischen Rilke und Lou .

Auch ich bin sehr gespannt auf die "Nacht" !

Liebe Grüße von Luise :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

"Die Nacht" aus "Christus Elf Visionen" von R. M. Rilke steht jetzt bei rilke.de unter:

http://www.rilke.de/gedichte/nach_mitternacht_ists.htm

(Was - tatsächlich - schon so spät ?) Auf jeden Fall ist das Gedicht heisser, als ich es in Erinnerung hatte . Was meint Ihr ?

Die Christus-Visionen scheinen Gedichte zu sein, in denen Christus verschiedenen Menschen bzw Situationen als Vision erscheint . Vielleicht weiss hier jemand noch mehr dazu ?!

Viele Grüße und: eine gute Nacht wünscht, Barbara 8)
stilz
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Beitrag von stilz »

Liebe Barbara,

danke für die "Nacht", und überhaupt für den Hinweis auf die Christus-Visionen, die ich überhaupt nicht kannte...

ich möchte nicht, daß gerade hier, wo's erst so richtig spannend wird, die Diskussion aufhört, aber irgendwie kann ich noch immer nichts sagen (so kenn ich mich gar nicht), möchte erst auch noch die anderen Visionen kennenlernen und hatte noch keine Zeit, sie mir zu beschaffen.


Liebe Grüße!

Ingrid (stilz)
Barbara
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Christus-Visionen

Beitrag von Barbara »

Hallo Ingrid,

inzwischen habe ich auch einige andere Gedichte der "Christus-Visionen" bei rilke.de reingestellt und auch einen Überblick dazu . Ich habe vor, diese zu erweitern und denke, interessant wird es erst, wenn man einige davon gelesen hat im Zusammenhang . Sie zählen eindeutig zum Werk des frühen Rilke.

Mir geht es damit so, dass ich meine, man sollte auch die frühen Werke etwas kennen von dem unheimlich vielseitigen Werk dieses Dichters. Alles baut aufeinander auf und bestimmte Motive und Themen findet man immer wieder. Gerade das finde ich sehr spannend zu beobachten durch alle seine Schaffensepochen hindurch.

Persönlich gefällt mir das mittlere und späte Werk besser - als das frühe.

Wäre schön, wenn wir dazu im Austausch bleiben und natürlich auch unter dem Aspekt des "Pieta"-Themas.

Liebe Grüße von Barbara :lol:
stilz
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Beitrag von stilz »

Liebe Barbara,

endlich habe ich Zeit gefunden, mich näher mit den ins Netz gestellten Christusvisionen zu befassen (schien mir auch gerade in die Adventzeit zu passen) - danke nochmal, daß Du schon so viele zur Verfügung gestellt hast!

Du meintest,
Die Christus-Visionen scheinen Gedichte zu sein, in denen Christus verschiedenen Menschen bzw Situationen als Vision erscheint .

Ich denke eher, es sind Visionen Rilkes, Gedanken und Gefühle zum Thema: Wie würde der auferstandene Christus in unser heutiges (bzw natürlich Rilkes damaliges) Leben hineinpassen --- oder eben nicht hineinpassen?

Sehr berührend ist für mich diese unendliche Einsamkeit, dieses Abgeschnittensein vom "normalen" Leben der Sterblichen.

Wenn nicht die Kinder wären, gäbe es für ihn überhaupt nichts Gemeinsames mehr mit den Menschen...

Und dieser fürchterliche Fluch, die lange Reihe der "Geopferten", und dann diese entsetzliche Rache am Schluß von "Jahrmarkt" ---

ein ganz anderes Christusbild als das gewohnte, versöhnliche!


Und in diesem "Anderssein" trifft sich das wieder mit dem "Pietà"-Thema, das ist schließlich auch anders als gewohnt.

Ich bin sehr begeistert von Rilkes Art, noch nie Gedachtes poetisch darzustellen, oft auch einfach als Möglichkeit, ohne den Anspruch, das das der einzig mögliche oder "richtige" Gedankengang wäre.


Dir und auch allen anderen im Forum einen schönen Advent!

Liebe Grüße

Ingrid
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo,
vielleicht sollten wir auch Lou Andreas-Salomés Christus-Essay aus der Münchner Zeit mitlesen. Ein Gespräch über diese thematische Gemeinsamkeit hat die beiden ja näher zusammengeführt.
e.u.
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Ingrid, hallo e.u.,

ich habe meinen Kommentar eher textimmanent geschrieben und finde es bezogen darauf interessant zu beobachten, welche Orte und Figuren Rilke ausgewählt hat: warum gerade diese ? Auch die Situationen ändern sich und werden unheimlich - wer zb vermutet auf einem Jahrmarkt eine solche Geschichte ?

Eine weitere Idee: es könnte sehr viel in diesen Texten stecken von Rilkes Kunstverständnis bzw seinem Verständnis über die Aufgaben des Dichters , des Kunstschaffenden: die Einsamkeit und das Anderssein ... Aber vielleicht ist das auch schon wieder zu weit gedacht ? Was meint Ihr ?

Lest auch einmal das Zitat zur Eröffnung der Bremer Kunsthalle 1902. Dort heißt es:

"Hier wachsen Menschen, hier in diesem Haus
wird mancher sehend für sein ganzes Leben,
der sich als Blinder durchs Gedränge wand;
und hier ist Kirche, hier wird Gott gegeben,
und wo Du stehst, da ist geweihtes Land!
"

Auch hier stellt sich mir die Frage nach dem Übergang zwischen Kunst und Religion in Rilkes Verständnis - anscheinend gerade einem anderen Religionsverständnis als dem des (sonntäglichen) Gottesdienstbesuchers in der Kirche ... ? Wie steht in diesem Zusammenhang die russische Orthodoxie , die Rilke auch mit Lou Andreas-Salome kennenlernte, und das "Stundenbuch" ? Was meint Ihr ? Wie seht Ihr es ?

Wie Lou Andreas-Salome und Rainer Maria Rilke sich zu den "Christus-Visionen"... verständigt haben - ja , e.u., das würde mich auch sehr interessieren ....

Wäre schön, wir könnten uns weiter darüber austauschen - auch wenn ich momentan leider nur sehr wenig Zeit habe - !

Viele Grüße von Barbara :lol:
Paula
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Beitrag von Paula »

Hallo,

könnt Ihr mir sagen, wo ich den Essay von Lou Andreas-Salomè "Jesus der Jude" finden kann , wo er veröffentlicht wurde ? Ich würde ihn in diesem Zusammenhang gern einmal lesen .

Viele Grüße von Paula :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Paula,

zuerst veröffentlicht wurde der Essay von Lou Andreas-Salomè "Jesus der Jude" in der "Neuen Rundschau" 7/1896.

Liebe Grüße von Barbara :lol:
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